Kein großer Aufschrei: Zehn Monate nach der Missbrauchsstudie vermisst Betroffenensprecher Zander entschlossene Reformen in der evangelischen Kirche. Die bisherige Reaktion der Kirche fällt für ihn enttäuschend aus.
Knapp zehn Monate nach Vorstellung einer bundesweiten Missbrauchsstudie beklagen Betroffene mangelnde Entschlossenheit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Aufarbeitung. “Es sind nicht wirklich alle Kräfte mobilisiert worden, um entschlossen die Reformvorhaben umzusetzen, die dringend notwendig wären”, sagte der Sprecher der Betroffenen im EKD-Beteiligungsforum, Detlev Zander, am Montag vor dem in Würzburg tagenden Kirchenparlament.
Zwar gebe es viele Landeskirchen, die ihre Ressourcen aufstockten und die ihre Fachstellen für sexualisierte Gewalt besser ausstatteten, so Zander. Auch würden sich viele Menschen – innerhalb und außerhalb der Kirche – der Thematik mit mehr Interesse zuwenden als zuvor. “Doch der große Aufschrei ist ausgeblieben.”
Die Missbrauchsstudie für EKD und Diakonie war Ende Januar von unabhängigen Forschern in Hannover vorgestellt worden. Sie hatte in kirchlichen Akten Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte seit 1946 ausgemacht. Zudem stellten die Studienautoren Kirche und Diakonie im Umgang mit Missbrauchsfällen ein schlechtes Zeugnis aus.
Einzelne Fachstellen bestünden weiterhin nur aus einer einzigen Person, sagte Zander. Nicht jeder Kirchenleitende kämpfe mit demselben Enthusiasmus. Die hohen Zahlen, die im Dunkelfeld zu vermuten seien, die Aufdeckung von gravierenden Missständen im Handeln gegen sexualisierte Gewalt habe die Kirche nicht in dem Maße erschüttert, wie es nötig wäre.