Jugendliche, die bei einer Stolpersteinverlegung einen Text vorlesen – ich war davon berührt und zugleich ermutigt. Das Interesse dieser jungen Menschen am Schicksal einer ermordeten jüdischen Frau fand ich bewundernswert. Doch ein Gespräch mit einem der 14-Jährigen änderte meine Perspektive schlagartig: Ihm schien die ganze Aktion ziemlich egal zu sein – Hauptsache, er müsse nicht zur Schule. Was für eine Ernüchterung.
Doch wie bringt man Jugendliche dazu, sich wirklich zu interessieren? Könnte der Besuch einer Gedenkstätte ihre Haltung verändern? Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat jüngst erneut vorgeschlagen, den Besuch einer Gedenkstätte für Schülerinnen und Schüler verpflichtend zu machen. Ganz neu ist dieser Vorschlag nicht – in einigen Bundesländern gibt es bereits eine entsprechende Pflicht. In Bayern etwa an Gymnasien und Realschulen, im Saarland seit Dezember 2024.
Pflichtbesuch oder freiwillige Teilnahme?
Laut einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes lehnt jedoch die Mehrheit der Bundesländer eine verpflichtende Teilnahme ab. Der Besuch sei zwar grundsätzlich vorgesehen, allerdings auf freiwilliger Basis. Das wirft Fragen auf, vor allem angesichts der alarmierenden Zahlen.
Einer Studie der Jewish Claims Conference zufolge kennen zwölf Prozent der Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren in Deutschland die Begriffe Holocaust oder Schoah nicht. Gleichzeitig haben bei der U18-Bundestagswahl im Februar 2024 rund 15,5 Prozent der Jugendlichen ihre Stimme der AfD gegeben. Bei den 16- bis 24-Jährigen war die AfD bei der bundesweiten Europawahl sogar zweitstärkste Kraft.
Bildung als Gegenmittel
Das Bildungssystem muss hier gegensteuern. Demokratische Bewusstseinsbildung und gelebte Erinnerungskultur gehören zum Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schulen. Dabei geht es nicht um den Zwangsbesuch von Gedenkstätten, sondern um fundierten Schulunterricht – vor Ort und im direkten Bezug zur Geschichte. Lehrerkräftemangel oder überfrachtete Stundenpläne werden häufig als Gegenargumente genannt. Auch die notwendige Vor- und Nachbereitung solcher Besuche wird ins Feld geführt. Doch gerade bei diesem Thema dürfen solche Einwände nicht entscheidend sein.
In Deutschland – im Land der Täter – muss der Besuch einer Gedenkstätte ganz selbstverständlich Teil des Unterrichts sein. Es ist unsere Verantwortung. Wir stehen in der Schuld von Millionen ermordeter und verfolgter Menschen. Und wir tragen die Verantwortung dafür, dass sich ein solch systematischer Terror nie wieder wiederholt.