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Berufungsinstanz kassiert Urteil gegen Atomwaffengegner

Wegen eines Aufrufs zum Whistleblowing an die Bundeswehrsoldaten in Büchel sollte der Atomwaffengegner Hermann Theisen ursprünglich in Haft. Das Berufungsgericht kippte jetzt aber sogar die in erster Instanz verhängte Geldstrafe.

Koblenz – Im Streit um die Verteilung atomwaffenkritischer Flugblätter hat das Landgericht Koblenz am Dienstag eine Geldstrafe für den Heidelberger Friedensaktivisten Hermann Theisen aufgehoben.

In dem Berufungsverfahren wurde der Atomwaffengegner vom Vorwurf freigesprochen, er habe mit seinen Schriften zum Verrat von Dienstgeheimnissen aufgerufen (AZ: 5 Ns 2010 JS, 13035/15). Das Berufungsgericht hielt die Formulierungen im politischen Meinungskampf für zulässig.

Verhandelt wurden mehrere Aktionen, in denen Theisen Flugblätter mit Kritik an den US-amerikanischen Atomwaffen verteilt und verschickt hatte, die mutmaßlich auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern. Die Schriften enthielten den Aufruf an Bundeswehrangehörige, die Öffentlichkeit über Pläne zur Modernisierung der Bomben zu informieren. Die Staatsanwaltschaft hatte Theisen daraufhin angeklagt. In erster Instanz war der Heidelberger zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht äußerte aber auch der Staatsanwalt Verständnis für den Angeklagten, dem er «ehrenwerte Ziele» bescheinigte. In seinem Plädoyer rückte er von früheren Forderungen ab, Theisen zu einer Freiheitsstrafe zu verurteilen, bestand aber auf einer härteren Geldstrafe. Dem Angeklagten warf er vor, seine Aufrufe bewusst so zu formulieren, dass sie zum Fall für die Strafjustiz würden.

Theisen und sein Anwalt verteidigten die Flugblattaktionen als legitim, da die Existenz von Atomwaffen und deren Einsatz durch Bundeswehrsoldaten im Kriegsfall selbst völkerrechtswidrig sei. «Ein Missstand in einer Demokratie schreit danach, aufgeklärt zu werden», sagte Theisens Anwalt Martin Heiming.

Bei den Aufrufen sei es vorrangig auch nicht um den Verrat militärischer Geheimnisse gegangen, sondern darum, eine gesellschaftlich Debatte über die Atombomben in Deutschland auszulösen.

Diese Absicht hielten Theisen auch die Koblenzer Berufungsrichter zugute.
Gegen eine Verurteilung des Aktivisten spreche außerdem, dass es auch innerhalb der Staatsanwaltschaft keine einheitliche Meinung zur Strafbarkeit der Aufrufe gegeben habe. Bei einem der stets ähnlich lautenden Texte hatte der ermittelnde Staatsanwalt die Strafbarkeit offiziell verneint. Ob weitere, noch laufende Strafverfahren gegen Theisen wegen anderer Flugblatt-Verteilaktionen weitergeführt werden sollen, will die Staatsanwaltschaft Koblenz nun prüfen.

Auf dem Luftwaffenstützpunkt in Büchel lagern nach Vermutungen der Friedensbewegung die letzten US-amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden. Der Bundestag und der rheinland-pfälzische Landtag haben in den vergangenen Jahren Resolutionen für einen Abzug der Waffen verabschiedet.

Die Existenz der Atombomben wird sowohl vonseiten der US-Streitkräfte als auch der Bundesregierung weder bestätigt noch dementiert.