Als „Sünde gegen Gott“ hat der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm, jede Art von Rassismus und Nationalismus bezeichnet. Dabei gehe es nicht „um irgendwelche politischen Präferenzen“, sondern um das „grundsätzliche Verständnis des Menschseins und um unser Gottesverständnis“, sagte der frühere bayerische Landesbischof am Sonntag laut Redemanuskript beim Gottesdienst zu 80 Jahren Kriegsende in der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Friedens- und Versöhnungsworte der Bibel dürften niemals „Menschen ruhigstellen“ oder davon abhalten, sich für eine Welt ohne Hass und Gewalt einzusetzen. Gerade an einem Ort wie der Versöhnungskirche, deren Bau vor 60 Jahren von überlebenden KZ-Häftlingen initiiert worden war, müsse die biblische Botschaft immer auch politisch sein.
Der frühere EKD-Ratsvorsitzende zitierte aus einer Rede des NS-Propagandaministers Josef Goebbels von 1940, in der dieser den Erfolg der Nationalsozialisten mit der Untätigkeit der demokratischen Mehrheit begründete: „Man hat uns durch die Risikozone ungehindert durchgehen lassen“, der „Schwur auf die Legalität“ sei nur ein politischer „Kunstgriff“ der NSDAP gewesen, heiße es dort. Bedford-Strohm mahnte mit Blick auf die „größte Oppositionspartei im deutschen Bundestag“, die selbst die von Goebbels beschriebene Strategie anwende: „Wir dürfen ihr nie wieder auf den Leim gehen.“
Mit Blick auf die zahlreichen Kriege der Welt bat der Theologe Gott, die Gewalt zu beenden. Doch wer Gott um Hilfe bitte, müsse auch den Ruf „an uns Menschen“ hören: „Hört auf, einander den Krieg zu erklären! Erklärt einander den Frieden!“, forderte Bedford-Strohm. Ein solcher Friede müsse gerecht sein und allen ermöglichen, in Würde zu leben.
Für den Gottesdienst hatte auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ihr Kommen angekündigt, ebenso Pieter Dietz de Loos, dessen Vater – der niederländische Widerstandskämpfer Dirk de Loos – zusammen mit anderen KZ-Dachau-Überlebenden den Bau der Versöhnungskirche durchgesetzt hatte.
Der Grundstein für die einzige evangelische Kirche in einer KZ-Gedenkstätte wurde am 8. Mai 1965 gelegt. Ziel sei es gewesen, einen Ort zu schaffen, an dem „an alle Opfer des Konzentrationslagers Dachau erinnert werden konnte“, sagte Versöhnungskirchenpfarrer Björn Mensing. Heute ist die Versöhnungskirche neben der Schlosskirche in Wittenberg das einzige evangelische Gotteshaus, das der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehört. (1567/11.05.2025)