Seit 1999 strömen Jahr für Jahr Tausende Elektro-Fans im Juli in das kleine Dorf Grünefeld im Kirchenkreis Nauen-Rathenow. Das Festival „Nation of Gondwana“ ist das größte Open-Air-Festival im Havelland. Die Dorfgemeinschaft unterstützt das bunte Treiben, verkauft Gegrilltes, der Kirchenchor tritt als Eröffnungsact auf. In diesem Jahr war zum ersten Mal auch Pfarrerin Birgit Wolter mit einer Zeltkirche dabei.
Frau Wolter, sind Sie begeisterte Technofestival-Besucherin oder wie kamen Sie darauf, eine Open Church auf der Nation of Gondwana anzubieten?Überhaupt nicht! Das war das erste Festival meines Lebens. Ich bin seit 2017 Pfarrerin der Gemeinde und ganz viele meiner Gemeindeglieder engagieren sich dort, die Feuerwehr sowieso. Ein älteres Ehepaar aus der Grünefelder Gemeinde hilft schon immer beim Bratwurststand mit. So dachte ich mir, da kann ich als Pfarrerin nicht außen vor bleiben und will das anbieten, was ich kann.
Wie wurde Ihre Zeltkirche von den Festivalbesucher*innen angenommen?Im Vorfeld gab es auf Facebook eine Diskussion, in der sich einige sehr negativ dazu geäußert haben, dass jetzt eine Pfarrerin auf dem Festival sein wird. Für viele Menschen ist Christentum leider mittlerweile ein Synonym für Gewalt, Unterdrückung und Kindesmissbrauch – und nicht für Liebe und Freiheit, wofür das Festival steht. Das hat mir ganz schön zu schaffen gemacht und mich an der Aktion zweifeln lassen.
Das ist verständlich und doch haben Sie sich nicht abhalten lassen. Wie war die Stimmung auf dem Festival selbst?Bei zehntausend Teilnehmer*innen können die Meinungen auch auseinandergehen. Aber insgesamt war das positive Feedback viel stärker. Die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind mir offen und freundlich begegnet. Es haben mich auch viele fremde Menschen umarmt und waren dankbar dafür, dass ich da war. Die meisten kamen eher zufällig in mein Zelt, dort konnte man sich in Ruhe hinsetzen, essen oder sich ausruhen. Und dann haben sie erst gemerkt, wo sie sind. Oft entspannten sich nette Gespräche. Die fanden es total cool, dass Kirche auch auf einem Technofestival präsent ist.
Sollte sich Kirche also öfter rauswagen an ungewöhnliche Orte?Auf jeden Fall! Kirche muss da sein, wo die Menschen sind. Wir können nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen. Das wird leider manchmal noch nicht so wahrgenommen. Aber wir müssen unsere Botschaft nach außen tragen, unser befreiendes Angebot bekannt machen. Und dafür den Mut haben, auch Neues auszuprobieren. Auch wenn nicht immer alles auf Anhieb klappt, der Versuch ist es wert. Solche Formen müssen sich ja auch entwickeln.
Gab es eine Begegnung, die Ihnen im Gedächtnis bleiben wird?Ein junges Paar hatte am Tag vor dem Festival gefragt, ob ich es segnen würde. Das habe ich sehr gern gemacht. Sie haben es auch sehr ernst genommen, fast wie eine Trauung. Noch auf dem Festival und danach habe ich mehrere Anfragen für Segnungen und auch Taufen für das nächste Jahr bekommen. Sogar eine richtige Trauung könnte es geben. Da muss ich noch mal bei meinem Superintendenten nachfragen, ob das möglich ist, aber an sich sollte es aus meiner Sicht kein Problem sein. Beide sind Kirchenglieder und wir werden uns im Laufe des Jahres verabreden.
Also wird es 2020 wieder eine Zeltkirche auf der Nation of Gondwana geben?Meine Grünefelder haben überhaupt keinen Zweifel daran, dass ich im nächsten Jahr wieder dabei bin. Von meinen Gemeinden habe ich viel positive Resonanz bekommen. Ich bräuchte aber ein wenig Unterstützung. Wenn ich es schaffe, ein Team zusammenzustellen, dann könnte ich es mir auf jeden Fall vorstellen.