Neue Kriterien zum Umgang mit NS-Raubkunst machen es möglich: Ein Werk, entstanden im Umkreis von Lucas Cranach dem Älteren, geht von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen an die Erben des früheren Besitzers zurück.
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben das aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Gemälde “Hl. Anna Selbdritt” an die Erben des jüdischen Bankiers Ernst Magnus aus Hannover zurückgegeben. Bei dem Werk handelt es sich um eine Darstellung dreier Generationen: Maria mit Jesuskind und die Mutter Mariens, die heilige Anna, wie die Sammlungen am Freitag in München mitteilten. Das kleinformatige Bild soll um 1522 bis 1525 im Umkreis von Lucas Cranach dem Älteren entstanden sein. 1940 wurde es den Angaben zufolge von Ernst Magnus (1871-1942) an die Galerie Fischer in Luzern in Kommission abgegeben und 1941 über den Kunsthändler Walter Andreas Hofer an den NS-Reichsmarschall Hermann Göring verkauft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten die US-amerikanischen Alliierten das Werk sicher und übergaben es zunächst treuhänderisch an den bayerischen Ministerpräsidenten. 1961 wurde es als Erwerbung aus NS-Besitz den Staatsgemäldesammlungen übereignet. Bereits 2009 hatten die Erben von Magnus ein Restitutionsgesuch gestellt, das nach Prüfung 2010 auf Grundlage der damaligen Handreichung abgelehnt wurde. Angesichts eines neuen, mit erweiterten Kriterien versehenen Bewertungsrahmens ermöglichten nun die rechtlichen Voraussetzungen eine Rückgabe des Gemäldes.
Magnus und seine Frau Ida stammten ursprünglich aus Hessen und lebten lange in Hannover. Er war Direktor der Commerz- und Disconto-Bank, Mitglied im Börsenvorstand und von 1914 bis 1933 im Aufsichtsrat der Continental Gummi-Werke AG. Gemeinsam mit seiner Gattin baute er eine Kunstsammlung auf, beraten von Wilhelm von Bode. Mit Beginn des NS-Regimes wurde die Familie zunehmend entrechtet. Konten wurden gesperrt, Grundstücke unter Wert verkauft, “Judenvermögensabgabe” und “Reichsfluchtsteuer” mussten geleistet werden.
1935 emigrierte Magnus nach Lausanne, wohin er Teile seiner Sammlung und wertvolle Einrichtungsgegenstände mitnehmen konnte. Doch um die Kosten der Flucht und ein Visum für Kuba finanzieren zu können, sah sich der Banker gezwungen, weitere Kunstwerke zu verkaufen, darunter die “Hl. Anna Selbdritt”. Als sich die Asylregelungen in der Schweiz zunehmend verschärften, gelang der Familie 1941 die Ausreise über Sevilla nach Havanna, wo Ernst Magnus bereits wenige Monate später, am 12. Februar 1942, starb. Seine Frau und Tochter konnten weiter in die USA fliehen.