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Axel Prahl ist anders als Kommissar Thiel – Neue Autobiografie

Man kennt ihn aus dem Münsteraner “Tatort”. Dabei macht und kann Axel Prahl so viel mehr: Gedichte schreiben, finstere Gestalten spielen, musizieren, malen. Ein Buch zeigt den Facettenreichtum des beliebten Schauspielers.

Hemdsärmelig, brummig und das Herz am rechten Fleck, das ist der Münsteraner “Tatort”-Kommissar Frank Thiel. Seit über zwanzig Jahren bildet er zusammen mit dem von Jan Josef Liefers gespielten Rechtsmediziner Boerne das Team, das regelmäßig zum mit Abstand beliebtesten deutschen “Tatort” gewählt wird. Längst ist Thiel zu Axel Prahls bekanntester Rolle geworden, auch wenn der Schauspieler seinen “Durchbruch” den realitätsnahen, teils improvisierten Andreas-Dresen-Filmen “Nachtgestalten”, “Die Polizistin” und “Halbe Treppe” verdankt. Letztere begründeten im Übrigen auch seinen (falschen) Ruf als vermeintlicher “Ost-Schauspieler”.

Immer wieder passiere es, so erzählt Axel Prahl in der (Auto)Biografie, die der Filmjournalist Knut Elstermann unter seiner tätigen Mitwirkung über ihn geschrieben hat, dass ihn Menschen mit seiner “Tatort”-Figur gleich setzten. “Dabei gibt es so viele offensichtliche Unterschiede”, zählt er auf: “Im Gegensatz zu mir ist der Thiel ziemlich unmusikalisch, raucht nicht und neigt zu einer gewissen unreflektierten Autoritätshörigkeit, zumindest im Beruf. Er ist häufig übellaunig und unfreundlich, gegenüber fremden Menschen gibt er sich anfänglich oft verschlossen. Er ist ein Eigenbrötler und zudem ein ziemlicher Fußballfanatiker”, um nur ein paar einer langen Liste von Unterschieden zu nennen.

Knut Elstermann nun tritt mit seiner “Collage” an, das auch durch derlei “Verwechslungen” von Figur und Darsteller ein wenig stereotype öffentliche Bild des Axel Prahl geradezurücken. Das Buch beleuchtet den tatsächlich überraschenden Facettenreichtum des 1960 im schleswig-holsteinischen Eutin geborenen Schauspielers, Musikers und Synchronsprechers. So gab Prahl in seiner langen und arbeitsreichen Karriere, die er unter anderem beim legendären Berliner Kinder- und Jugendtheater Grips startete, mitnichten immer nur den Sympathieträger und/oder so genannten “kleinen Mann” – Rollen, für die er bekannt ist. Da war auch der brave Anzugträger in der Kafka-Adaption “Der Bau”, der spießige Akademiker aus “In der Welt habt ihr Angst”, der mutmaßliche Sexualstraftäter in “Der gute Bulle”.

Freilich, so manche Verkürzung hat auch ihren Reiz: So ist die Tatsache, dass Axel Prahl “der beste Ost-Schauspieler ist, den der Westen hervorgebracht hat”, wie es seine Kollegin Gabriela Maria Schmeide hier gewitzt formuliert, nicht nur im Buch ein schöner Running Gag.

Elstermann stellt viele Interviews mit dessen Weggefährten, vor allem aber mit Prahl selbst neben Passagen, in denen er diesen beobachtet, beschreibt, analysiert. Zum ersten Mal fiel ihm der Schauspieler 1999 mit seinem kurzen Auftritt im Episodenfilm “Nachtgestalten” auf, eine Performance, die den Filmjournalisten nachhaltig beeindruckte. Seitdem hat er ihn nicht mehr aus den Augen verloren, kennt sein “Objekt” spürbar gut. Anhand von Schwerpunkten wie Prahls musikalischem Schaffen, seinem Wirken in der “Dresen Familie” oder dem unvermeidlichen “Tatort” werden Lebens- und Arbeitsstationen nacherzählt; nebenbei sucht Elstermann stets die Person und kreative Herangehensweise des Axel Prahl zu ergründen – ein an sich stimmiges Konzept.

Aus seiner Sympathie und Bewunderung macht der Autor dabei keinen Hehl. Trotzdem ist “Axel Prahl: Was man liebt, braucht Zeit” viel mehr als ein Fan-Buch, dafür ist Knut Elstermann zu sehr Journalist, der Erzählbögen und große Linien sucht (und findet). Dennoch gibt es zu Beginn Kapitel, die in ihrer affirmativen Grundhaltung ein bisschen eintönig und zudem langatmig daherkommen. Nicht jede Begegnung des Darstellers mit alten Bekannten, und sei es inmitten dramatischer Dreharbeiten, ist für Dritte spannend; etwas mehr Straffung hie und da hätte dem Buch sicherlich gut getan. Auch sind kritische Töne rar gesät: Eine Aussage wie jene von Regisseur Lars Jessen, der Prahl und Liefers als “Tatort”-Kommissare für gelegentlich unterfordert hält, hat Seltenheitswert – was ein bisschen schade ist, schließlich entsteht durch Kritik ja Reibung, im besten Fall Erkenntnis.

Allerdings gewinnt das Porträt mit zunehmendem Fortgang an Tiefe, fördert interessante, berührende Einblicke in den Mensch, die öffentliche Person und den Schauspieler Axel Prahl zutage. Etwa, wenn Andreas Dresen von dessen “erstaunlicher Fähigkeit, zu weinen” berichtet. Wenn Prahls alter Theaterkollege Rainer Bock wunderbar anschaulich von einem Toiletten-Streich erzählt, den der Freund ihm einst kurz vor seinem Auftritt spielte. Oder wenn Elstermann Prahl beim Einkaufen im Supermarkt begleitet, und man dessen Strategie zwischen Nähe und Distanz im Umgang mit den Fans miterlebt.

Herrlich auch der Fototeil in der Mitte des Buchs, der neben einigen wenigen privaten Bildern vor allem Aufnahmen von Filmsets und Theateraufführungen zeigt, dazu ein von Prahl gemaltes Bild. Das Privatleben des Schauspielers wird übrigens auch sonst im Buch kaum erwähnt: Außer dass er vier Kinder hat und mittlerweile (glücklich) in dritter Ehe lebt, erfährt man hierzu (nachvollziehbarerweise) so gut wie nichts. Die Vielfalt von Axel Prahls Schaffen zu zeigen, ein breit schillerndes Porträt zu zeichnen, in dem der “Tatort” nur ein Aspekt unter vielen ist, das ist Knut Elstermann mit diesem Buch sicherlich gelungen. Für Fans ein Muss, aber auch für alle anderen ein zumeist interessanter Einblick in einen so erstaunlichen wie seltsam folgerichtigen Lebenslauf.