Artikel teilen

Autonomie in Waffensystemen

Schon seit 2014 gibt es Bestrebungen auf der Ebene der Vereinten Nationen, tödliche autonome Waffensysteme (lethal autonomous weapons systems, LAWS) zu regulieren. Im November 2019 einigten sich mehr als 120 Staaten in den Gesprächen zur Konvention über konventionelle Waffen (Convention on Certain Conventional Weapons, CCW) in Genf auf Leitprinzipien, die jedoch kein Verbot und auch nicht verbindlich sind. So soll für alle künftigen Waffensysteme das Völkerrecht gelten. Für deren Einsatz sollen jeweils Menschen verantwortlich bleiben. Für ein Verbot setzten sich rund 30 Länder ein, darunter Österreich und der Vatikan. Dagegen waren vor allem Russland und die USA.

Autonome Waffensysteme haben auch bereits Menschenleben auf dem nicht vorhandenen Gewissen. Als 1983 ein sowjetisches Jagdflugzeug einen Jumbo-Jet der Korean Air Lines über der Insel Sachalin abschoss und 269 Menschen dabei starben, behaupteten die Sowjets zeitweise, dass nicht der Jagdpilot, sondern dessen Flugzeug zwei Raketen auf den Jumbo gestartet habe. Während der Invasion im Irak 2003 schossen Patriot-Raketen der USA aus Versehen einen britischen und einen US-Kampfjet ab. Dabei starben zwei britische Flieger und ein amerikanischer Pilot. Die Bediener der Patriot hatten vergessen, den Automatikmodus auszuschalten. Möglicherweise geschah auch der Abschuss der Malaysia-Airlines-Boeing mit 298 Toten über der Ostukraine 2014 dadurch, dass ein russisches Buk-Flugabwehrsystem ohne menschliches Eingreifen eine Lenkrakete startete.

Autonome Waffen und Drohnen haben miteinander zu tun, sind aber nicht gleichbedeutend: Es gibt Drohnen, die von Menschen gesteuert sind, und es gibt autonome Waffensysteme, die keine Drohnen sind. Beide gibt es schon länger: Drohnen etwa seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit den 1970er Jahren können die Radare von Jagdflugzeugen oder Flugabwehr-Raketensystemen Ziele eigenständig entdecken, identifizieren und ihren Besatzungen nach Gefährlichkeit geordnet anzeigen. Viele Lenkwaffen arbeiten heute nach dem Fire-and-forget-Prinzip, werden also von Menschen abgefeuert, verfolgen ihre Ziele aber komplett eigenständig.

Auch die letzten Schritte der sogenannten „kill chain“, also die Entscheidung zum Abdrücken und der Schuss, können schon lange von Maschinen ausgeführt werden. Bei manchen Abwehrsystemen ist das auch notwendig. So gibt es beispielsweise Systeme für Panzer oder Kampfschiffe, die anfliegende Granaten oder Raketen im letzten Moment vor dem Einschlag abschießen. Diesen Moment genau abzupassen, ist nur für Maschinen möglich.

Relativ neu sind autonome Funktionen in sogenannten Battle Management Systems. Diese Programme können beispielsweise Satelliten- oder Telekommunikationsdaten analysieren und daraus Ziele generieren. Technisch wäre es möglich, dass diese Programme die Bekämpfung der Ziele selbstständig einleiten, im Extremfall durch andere autonome Systeme. Wesentlicher militärischer Vorteil ist, dass Maschinen Entscheidungen um ein Vielfaches schneller treffen können als Soldaten. (1579/13.07.2024)