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Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast über Mutterschaft

Madonna, Merkel, Milchpumpe: Eine Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast widmet sich Mutterbildern vom 14. Jahrhundert bis heute. Und bietet Ansichten von religiöser Heiligkeit bis zu völliger Ablehnung.

“Mama, aber mein schönstes Lied bist du,” singt der italienische Tenor und Schauspieler Beniamino Gigli im Spielfilm “Mamma”. In der erstmals im faschistischen Italien der 1940er Jahre gezeigten deutsch-italienischen Koproduktion sitzt Gigli vor dem Bett seiner todkranken Mutter und erinnert wehmütig an die mit Mutter Ester Magnaterra verbrachte Kindheit. Das Lied wurde seither von etlichen, auch deutschsprachigen Künstlern wie Heintje, Peter Alexander oder Michael Hirte gecovert.

“MAMA”, nicht “Mamma”, heißt eine Ausstellung, die ab Mittwoch im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen ist. “Von Maria bis Merkel”, lautet der Untertitel. Die Videoaufnahmen Giglis gehören zu den rund 120 sehr unterschiedlichen Exponaten – und auch eine Video- und Audioaufnahme von Heintjes “Mama”-Version, das erste Exponat der Schau.

Wieso ausgerechnet Maria, die Mutter Jesu, und Angela Merkel das Aushängeschild der sich über acht Räume erstreckenden Schau sind, erklärt eine der Kuratorinnen, Westrey Page: “Maria ist die Mutter, die in der westlichen Welt am häufigsten dargestellt wurde.” Für viele Frauen sei sie lange ein Ideal gewesen, für manche bis heute. Die Gottesmutter verkörpere das vielfach verehrte Bild der frommen und demütigen Mutter.

Anders Merkel – sie sei keine biologische Mutter und dennoch als deutsche “Mutti” in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Ex-Kanzlerin versinnbildliche einen wichtigen Fokus der Ausstellung: “Frauen werden am Muttersein gemessen, selbst wenn sie keine Mütter sind”, erklärt Page. “In der Ausstellung geht es nicht direkt um Mütter, sondern vor allem um den gesellschaftlichen Blick auf sie.”

Nicht alle Frauen wollen Mütter sein – auch das zeigen Exponate. Die Nonkonformistin und Sängerin Nina Hagen singt in ihrem Lied “Unbeschreiblich weiblich”, das sie 1978, bald nach ihrer Flucht aus der DDR, in der Dortmunder Westfalenhalle vortrug: “Ich war schwanger. Mir ging’s zum Kotzen, ich fress’ Tabletten und schaff mir keine kleinen Kinder an.” Als Ohrringe trägt sie Babyschnuller: “Ich habe keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen.”

Nina Hagens Kernaussage sei eine kraftvolle Abrechnung mit der Vorstellung, die Bestimmung eines Frauenlebens bestehe darin, Kinder auf die Welt zu bringen, heißt es in der Ausstellung. Die Aufnahmen von ihr sind nur eine von vielen Video- und Audioinstallationen, die – zusammen mit anderen Alltagsgegenständen – ausdrücken, was Menschen über sechs Jahrhunderte hinweg über das Muttersein gedacht, gefühlt, gesungen und gemalt haben.

In einem Ausstellungsraum können Besucher auf ein Bücherregal zugreifen und sich der Lektüre widmen. Zu finden ist dort etwa ein Ratgeber der tschechischen Autorin Mirka Klimova Fügnerova, der 1976 ins Deutsche übersetzt und in der DDR rezipiert wurde. “Unser Kind” erklärt die Sorge um die Kinder zu einer gemeinsamen Aufgabe beider Geschlechter. “Auch die Mutterbilder der ostdeutschen Gesellschaft flackern an mehreren Momenten in der Ausstellung auf”, sagt die Kuratorin Anna Christina Schütz. In der Praxis blieb aber auch in der DDR ein Großteil der Kindererziehung, Aufgabe der Frauen. Eine Doppelbelastung, die auch in dem Ausstellungsteil “Care-Arbeit” unter anderem in Gemälden zum Ausdruck kommt.

Im Vorfeld der Ausstellung hatten die Kuratorinnen Menschen online dazu eingeladen, persönliche Eindrücke zur Mutterschaft zu teilen. Aus den eingesandten Audio- und Videoaufnahmen ist ein etwa zweieinhalbstündiger Zusammenschnitt entstanden. Auf die Frage, was sie vor ihrem inneren Auge sehe, wenn sie das Wort “Mama” hört, sagt jemand: “Ich sehe eine Frau, die von Hyänen umgeben ist, die Stücke aus ihr herausbeißen wollen.” Eine andere Frau antwortet auf die Frage, wofür sie mütterliche Gefühle habe: “Ich habe nicht nur mütterliche Gefühle für mein Kind, weil ich biologisch seine Mama bin, sondern weil wir so eine besondere Beziehung haben, die ich so noch zu keinem anderen Menschen hatte.”

So vielfältig wie die individuellen Zugänge sind die Exponate der Ausstellung. Sie reichen von spätmittelalterlichen Mariendarstellungen des 14. Jahrhunderts, von der stillenden Maria bis zur Pietà, die den gekreuzigten Jesus in den Armen hält, über Magazin-Titelseiten bis zu Alltagsgegenständen wie einer Milchpumpe für Frauen aus den 1950er Jahren. Mit jedem Schritt durch die Räume der Ausstellung zerbröselt die idealisierte Mutterschaftsbeziehung, die Gigli in seinem Film besingt, weiter – und mit ihr die Vorstellung, dass es “die Mutter” gibt.