Union und SPD wollen den Familiennachzug für bestimmte Geflüchtete erneut aussetzen. In einer Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss des Bundestags fallen die Bewertungen sehr unterschiedlich aus.
Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu bestimmten Geflüchteten bleibt umstritten. In einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags äußerten Sachverständige am Montag Zustimmung und Ablehnung zu dem Gesetzesvorhaben von Union und SPD. Am Freitag wird der Bundestag voraussichtlich abschließend darüber beraten.
CDU, CSU und SPD wollen den Familiennachzug zu Menschen mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus zunächst für zwei Jahre aussetzen – wie es von 2016 bis 2018 schon einmal der Fall war. Ausnahmen sind nur in Härtefällen vorgesehen. Subsidiärer Schutz greift, wenn Menschen in ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, also etwa Folter oder die Todesstrafe. Häufig sind Betroffene auch Bürgerkriegsflüchtlinge. Der Familiennachzug ist in diesen Fällen seit Jahren bereits auf bundesweit bis zu 1.000 im Monat beschränkt.
Vertreterinnen von Sozialverbänden übten Kritik an der geplanten Aussetzung. Yana Gospodinova vom katholischen Deutschen Caritasverband sagte, dass es die Integration behindere, wenn die Familie fehle. Sollte die Aussetzung kommen, müsse die Härtefallregelung klar und nachvollziehbar ausfallen. Kerstin Becker vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte, die Aussetzung verstoße gegen das grund- und menschenrechtlich garantierte Recht auf Familienleben. Betroffene seien meist schon seit vielen Jahren von ihrer Familie getrennt. Becker forderte daher zumindest eine Übergangsregelung für bereits laufende Verfahren.
Auch die evangelische und die katholische Kirche erklärten in einer schriftlichen Stellungnahme, dass die Familie ein sehr hohes Gut darstelle, das es zu schützen gelte. Auch subsidiäre Schutzberechtigte hätten ein Recht auf Familienzusammenführung. Die Kirchen lehnen die Aussetzung ebenfalls ab. Der Familiennachzug sei mit Blick auf ein gelingendes Zusammenleben und die Integration auch im Interesse der Gesellschaft.
Vertreter der Kommunen bejahten die positiven Wirkungen des Familiennachzugs, begrüßten aber gleichwohl die geplante Aussetzung. Sie verwiesen darauf, dass Städte, Gemeinden und Landkreise aktuell überlastet seien. So sprach etwa Finn-Christopher Brüning vom Deutschen Städte- und Gemeindebund von einer Krise am Wohn- und Arbeitsmarkt sowie Wartezeiten bei Integrations- und Sprachkursen. Auch Kitas und Schulen kämen an ihre Grenzen. Johann Friedrich Killmer vom Deutschen Städtetag und Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag erklärten, dass auch die gesellschaftliche Akzeptanz in den Blick genommen werden müsse.
Juristen äußerten in der Anhörung keine rechtlichen Bedenken gegen die erneute Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Der Konstanzer Jurist Daniel Thym etwa sagte, Gerichte erlaubten den Schritt, solange Ausnahmen für Härtefälle vorgesehen seien. Die Aussetzung sei historisch gesehen die Regel. Thym warb dafür, nach Ablauf der zwei Jahre den Familiennachzug zu ermöglichen, wenn Betroffene sich integriert hätten, also einen Job und eine Wohnung vorweisen könnten.