Das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) hat den Maler Gerhard Richter als „Deutschen, Künstler und Citoyen“ geehrt. In seinem Atelier in Köln wurde ihm in der vergangenen Woche eine Skulptur des umgekehrten „B“, einem Zeichen des Widerstands der Häftlinge im NS-Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, überreicht. Wie das Komitee mitteilte, wird dem Künstler auf diese Weise dafür gedankt, dass er die vier Gemälde seines „Birkenau-Zyklus“ dem IAK dauerhaft zur Ausstellung im polnischen Oswiecim, deutsch Auschwitz, überlassen hat.
Der 97-jährige Präsident des IAK, Marian Turski, hob in seiner Ansprache die Bedeutung von Richters abstrakter Kunst für die Verarbeitung der Traumata aus der Zeit der Lagerhaft hervor. Der polnisch-jüdische Auschwitz-Überlebende sagte, gerade diese Bilder eröffneten Räume, in denen sich Überlebende ihren Erinnerungen stellen könnten. „Der Satz des Philosophen Theodor W. Adorno, dass nach Auschwitz keine Gedichte mehr geschrieben werden können, ist falsch!“, betonte Turski. Kunst sei „eine mögliche Retterin für Überlebende“. Das habe er persönlich auch durch die Werke Gerhard Richters erfahren.
Motive aus dem Jahr 1944 als Vorlage
Der 91-jährige Richter bereitet zurzeit mit dem Komitee die Ausstellung seiner Birkenau-Gemälde in einem von ihm selbst entworfenen Museum auf dem Gelände der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim vor.
Ausgehend von Fotografien, die im Jahr 1944 zur Zeit des Massenmordens heimlich im Vernichtungslager Birkenau nahe Gaskammer und Krematorium Nummer 5 aufgenommen worden waren, hatte Richter im Jahr 2014 deren Motive als Vorlage übernommen, sie in mehreren Arbeitsgängen übermalt und verändert. Die vier Gemälde sind in den Farben Schwarz, Grau, Rot und Grün gehalten und mit einer Rakel bearbeitet. Anschließend wurden von den Gemälden Fotografien angefertigt und hinter Acrylglas versiegelt.
Richter hat sich immer wieder mit Verbrechen der Nationalsozialisten beschäftigt
Bei der Übergabe der Auszeichnungen begrüßte Richter die Initiative des Exekutiv-Vizepräsidenten des IAK, Christoph Heubner, dass die Gemälde künftig an dem Ort gezeigt würden, an den sie gehörten. Unter anderem wegen des Schicksals seiner im sogenannten Euthanasieprogramm der Nazis ermordeten Tante hat sich Gerhard Richter immer wieder mit den Verbrechen der Nationalsozialisten beschäftigt. Deshalb zeichne das IAK ihn nicht allein als Künstler, sondern auch ausdrücklich als Deutschen und Aufklärer, als „Citoyen“, aus, sagte Heubner.
Das umgekehrte „B“ erinnert an einen Akt des Widerstands, den Gefangene von Auschwitz begehen konnten: Sie setzten den Buchstaben in der Tor-Aufschrift „Arbeit macht frei“ verkehrt herum ein. „Das war das Einzige, was sie in ihrer Hilfslosigkeit, ihrem Zorn und ihrer Wut tun konnten“, sagte Heubner. Seltsamerweise sei das nie entdeckt worden. Aus diesem auf den Kopf gestellten Großbuchstaben machte die französische Künstlerin Michèle Déodat eine etwa 15 Zentimeter große Skulptur, die Auszubildende des VW-Konzerns im Rahmen ihrer Beschäftigung mit den NS-Verbrechen, insbesondere mit Auschwitz, herstellen. Vor Gerhard Richter war sie unter anderem Papst Franziskus und Prinz Charles, dem heutigen britischen König Charles III., verliehen worden.