Zum Abschluss des dreitägigen Erörterungstermins zum umstrittenen Ausbau der Brennelementefabrik Framatome-ANF im emsländischen Lingen unter Beteiligung der russischen Atombehörde Rosatom sehen sich Atomkraftgegner in ihren Bedenken gegen das Vorhaben bestätigt. In vielen zentralen Fragen seien die Konzernvertreter den Fragen der Einwender ausgewichen, erklärten mehrere Initiativen am Freitagnachmittag. Zudem seien „erschreckende Sicherheitslücken“ im Umgang des Betreibers mit Rosatom offensichtlich geworden.
Framatome-ANF will in Lingen künftig auch Brennstäbe für Atomreaktoren russischer oder sowjetischer Bauart herstellen und hat dafür eine Zusammenarbeit mit Rosatom vereinbart. Vor allem wegen Sicherheitsbedenken hatte es rund 11.000 Einwendungen gegen das Vorhaben gegeben, darüber wurde bei dem Erörterungstermin diskutiert.
Nach Angaben der Initiativen haben Vertreter von Framatome ANF während der Verhandlung zugegeben, dass sich im Frühjahr rund 20 Rosatom-Mitarbeiter mehrere Wochen lang in Lingen aufhielten und dabei rund 20 Beschäftigte von Framatome schulten. Nach Informationen der Atomkraftgegner hat Framatome angegeben, es habe dabei keinerlei Sicherheitsüberprüfung der Rosatom-Mitarbeiter gegeben.
Die Gegner der Kooperation ergänzten, zudem zeichne sich nunmehr ab, dass die Zusammenarbeit mit Rosatom langfristig bestehen bleiben könnte. Frühere Aussagen Framatomes, dass die Kooperation nur eine „kurzfristige“ Übergangslösung sei, seien damit revidiert worden. Auf Fragen zum Verhältnis Framatomes zur Ukraine und zur militärischen Besetzung des ukrainischen AKW Saporischschja unter Beteiligung von Rosatom seien die Framatome-Vertreter gar nicht eingegangen.
„Der Erörterungstermin hat in dramatischer Form verdeutlicht, mit welcher Naivität Framatome-ANF dem Kreml-Konzern Rosatom den roten Teppich ausrollt“, sagte Alexander Vent vom Bündnis AgiEL – Atomkraftgegnerinnen im Emsland. Die fehlenden Sicherheitsüberprüfungen der 20 in Lingen tätigen Rosatom-Mitarbeiter seien ein eklatantes Beispiel dafür, „dass Framatome die aggressive Politik der russischen Regierung und die enge Verquickung Rosatoms mit den russischen Geheimdiensten nicht ernst nimmt“.
Nach den Worten von Angelika Claußen, Vorsitzende der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, hat der Erörterungstermin deutlich gemacht, „dass Framatome-ANF Fakten über die umfassende Verantwortung von Rosatom im zivilen und militärischen Bereich der Atomkraft, also auch für Atomwaffen, systematisch ausblendet“. Aus Sicht von IPPNW sei eine Firmenkooperation mit einem solchen Partner inakzeptabel.
Über den Antrag von Framatome-ANF muss zunächst das Niedersächsische Umweltministerium entscheiden. Grundlage dafür sind die Ergebnisse des Erörterungstermins sowie Stellungnahmen mehrerer Bundesministerien und Sicherheitsbehörden. Sobald das Umweltministerium in Hannover den Entwurf eines Bescheids erarbeitet hat, wird dieser zu einer bundesaufsichtlichen Prüfung nach Berlin übermittelt. Wie lange das Verfahren noch dauert, ist unklar.