„Das fühlt sich hier ja an wie zu Hause.“ Ein Satz, den Besucher der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in Bremerhaven in den vergangenen Wochen so oder ähnlich häufiger geäußert haben. Meist mit einem Lächeln im Gesicht, wenn ihr Blick auf die großen hellen Fenster an beiden Seiten der Kirche fiel. Denn dort stehen bis zu diesem Wochenende auf den hohen Fensterbänken zahlreiche bunte Blumentöpfe, unter anderem mit Grünlilie, Papyrus, Yucca-Palme und Zebrakraut.
Insgesamt 36 Zimmerpflanzen haben Menschen nach einem Aufruf bei der Künstlerin Sophia Bizer zur Betreuung während der Urlaubszeit abgegeben. Sie ordnete die Pflanzen nach ihren Vorstellungen an und sorgte dafür, dass das Grün gehegt und gepflegt wird. Darunter hat Sophia Bizer eine Kette aus großen Holzbuchstaben aufgehängt. Auf der einen Seite ist zu lesen „SPACE AS AN INVITATION TO STAY“ (zu Deutsch: Der Raum als Einladung zu bleiben), auf der anderen Seite steht „GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN?“. Ein Pflanzen-Asyl auf Zeit – nach sieben Wochen holen die Besitzer ihre Gewächse gerade wieder ab.
Pflanzen-Aktion soll Kirchenraum gastfreundlicher machen
„Das kann gerne so bleiben“ – auch ein Satz, den die Künstlerin von Besuchern öfter gehört hat. Bizer ist bis Januar kommenden Jahres Stipendiatin der Bremischen Evangelischen Kirche. In dieser Zeit will sie den Kirchenraum erforschen und Besucher befragen. Dabei geht es ihr darum, wie man den Raum gastfreundlicher gestalten kann. „Ich habe das Gefühl, dass sich Menschen hier wegen der Pflanzen länger aufgehalten haben“, meint sie. Mit vielen von ihnen ist sie ins Gespräch gekommen, als sie selbstgezogene Setzlinge an Kirchenbesuchende verschenkte und dabei oft auf erstaunte Gesichter traf, die von so viel Gastfreundschaft überrascht waren.
Überraschend für Sophia Bizer waren die vielen ausländischen Touristen, die mit Kreuzfahrtschiffen nach Bremerhaven kommen und gerne einen Blick in die Innenstadtkirche in der Fußgängerzone warfen, die auch als Hauptkirche oder Große Kirche bekannt ist. „Von Schweizern haben wir erfahren, dass Pflanzen in Kirchen in ihrer Heimat ganz üblich sind. Niederländer haben berichtet, dass es in Utrecht und anderen Städten Pflanzentauschbörsen gibt.
Im September veranstaltet die Künstlerin den Workshop „Utopische Raummodelle“, in dem überlegt werden soll, wie man den Kirchenraum verändern könnte. Im Oktober soll die Große Kirche auch tanzend erkundet werden. Ab Februar 2025 werden dann die gesammelten Ideen und Erfahrungen in einer Ausstellung präsentiert.
Ideen: Spielecke für Kinder oder Tisch für gemeinsame Mahlzeiten in der Kirche
Laut Sophia Bizer gibt es bei Haupt- und Ehrenamtlichen der Vereinigten Protestantischen Gemeinde schon viele Ideen für eine Umgestaltung der neugotischen Backsteinkirche von 1855, die bei Angriffen im zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1960 wieder eingeweiht wurde. So könnte ein Teil der Holzstühle entfernt werden, damit es mehr Platz für andere Nutzungen gibt – zum Beispiel für eine Spielecke für Kinder oder für einen großen Tisch für gemeinsame Mahlzeiten in der Kirche.
Sophia Bizer hat Bildende Kunst, Performance und Gender Studies in Hildesheim, Marburg, Athen und Caldas de Rainha (Portugal) studiert und lebt in Bremen.
Die Abschlussausstellung findet vom 7. bis 9. Februar 2025 in der Großen Kirche in Bremen statt. Infos unter www.kirche-bremen.de