Was braucht es, um Menschen zu beeinflussen? Mit den perfiden Stilmitteln der Verführung befasst sich eine zweiteilige Arte-Dokumentation und beschreibt auch die einzelnen Elemente ihrer subtilen Wirkungsweise.
Die Kunst der Verführung ist so alt wie die Menschheit. Denn wo es Menschen gibt, da lassen sie sich auch immer mehr oder weniger beeinflussen. Dies geschieht im Privaten, im Geschäftsleben, auch in der Religion und in Politik und Werbung. Allerdings gelingt die besondere Kunst zur Verleitung nicht jeder und jedem gleich gut. Was es braucht, um auf Menschen – auch auf Massen – einzuwirken? Das zeigt die zweiteilige Arte-Dokumentation “Vorsicht Verführung”. Um “Evita und die Macht der Schönheit” geht es im ersten Teil, am 8. August um 20.15 Uhr.
Wichtige Hilfsmittel der Verführung können Charisma und Schönheit sein. Aber auch bewegende Reden und zu Herzen gehende Songs können Menschen manipulieren. Damit soll das Belohnungs- und nicht das Vernunft-System bei Menschen erreicht werden, erklärt der Psychiater und Neurologe Borwin Bandelow von der Universität Göttingen. Dass dies oft gelingt, zeigt sich zu Beginn von “Vorsicht Verführung”, wenn es heißt: “Viele Verführer haben Geschichte geschrieben. Sie beherrschen meisterhaft das Spiel um Macht, Erfolg, Lust und Liebe. Sie haben die Gunst der Stunde erkannt und ergriffen.”
Der Hamburger Filmemacher Tom Ockers (Buch und Regie) befasst sich in seinen beiden jeweils 44-minütigen ZDF-Dokumentationen, die bei Arte zur Erstausstrahlung kommen, ausführlich mit Ausstrahlung und Wirkung von manipulierenden Zeitgenossen. Wie bringt man Menschen dazu, etwas zu tun, das sie zunächst gar nicht vorhatten? Warum ist der menschliche Verstand so leicht auszutricksen? Ockers Fazit: Nur derjenige kann der Kunst der Verführung widerstehen, der ihre einzelnen Prinzipien versteht.
Die erste Folge der Doku nimmt drei Frauenpersönlichkeiten in den Blick. Ockers zeigt, was Evita Peron zu einer der einflussreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts, US-Unternehmerin Elizabeth Holmes zur Start-up-Queen und Filmstar Marilyn Monroe zum ewigen Sexsymbol machte.
Die frühere Schauspielerin Eva Duarte verführte in den 1940er Jahren die Argentinier als Präsidentengattin Evita Peron, als das südamerikanische Land in einer Wirtschaftskrise steckte und gegen Korruption und Militärherrschaft ankämpfte. Der Politiker Juan Domingo Peron umgarnte mit Hilfe seiner Frau das Volk und sicherte sich so Sympathie und Macht. Bis heute ist Evita Peron eine Ikone in ihrem Heimatland, was der weltweite Erfolg des gleichnamigen Musicals bestätigt.
Eindrücklich befasst sich der Film mit den Stilmitteln der Verführung und deren Wirkung. “Verführung spricht Gebiete im Gehirn an, die auf dem geistigen Zustand eines Huhnes sind”, entzaubert Psychiater Bandelow den Mechanismus. Es gehe nur um die Frage, ob das Belohnungssystem angesprochen werde. Graustufen gibt es bei der Verführung laut Bandelow kaum. Deshalb ist für den Neurologen “Verführung etwas ganz Plattes”. Wie es ein Einzelner es schaffen kann, Millionen Menschen zu beeinflussen, erläutert die Münchner Psychologin und Buchautorin Bärbel Wardetzki.
“Verführung ist weder gut noch schlecht. Sie ist eine Manipulation”, so lautet das Fazit der interessanten Dokumentation. Mindestens so interessant wie das Thema Massenverführung ist es aber auch, deren Mechanismen zu verstehen. Dazu will die zweiteilige Arte-Dokumentation “Vorsicht Verführung” beitragen. Im zweiten Teil direkt im Anschluss geht es ab 20.55 Uhr um “Elvis und die Wucht der Gefühle”. Darin werden als weitere “Verführer” auch der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy und Österreichs Frauenmörder Jack Unterweger in den Blick genommen.