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Arsen in Büchern

Viele Bibliotheken in Deutschland überprüfen derzeit ihre Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Der Grund: Sie könnten mit giftigem und krebserregendem Arsen belastet sein. Das Halbmetall wurde damals verwendet, um grüne Farbstoffe herzustellen. Eine Variante war das sogenannte „Schweinfurter Grün“, das unter anderem zur Färbung von Bucheinbänden oder -schnitten verwendet wurde. Maler wie Vincent van Gogh (1853-90) oder Claude Monet (1840-1926) haben es sogar für ihre Bilder verwendet.

Seit Anfang dieses Jahres geht aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in vielen Bibliotheken die Angst um, dass sich arsenbelastete Bücher in den Beständen befinden könnten. Universitätsbibliotheken wie Kiel oder Bielefeld haben einen Teil ihrer Magazine sperren lassen. Die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig hat allerdings Anfang März ein Stück weit Entwarnung gegeben: Bei einem „üblichen Umgang“ mit Medien bestehe keine Gefahr für die Nutzer, sagte Direktor Johannes Neuer dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Gundsätzlich gelte für Bibliothekare und Bibliotheksbesucher, „wenn man etwas Grünes sieht, Finger weg“, sagt Armin Schlechter, der Vorsitzende der Kommission Bestandserhaltung beim Deutschen Bibliotheksverband (dbv). In der aktuellen Diskussion um arsenbelastete Bücher in Bibliotheken warnt er vor einer Panikmache. Bibliotheken müssten ihre Buchbestände auf gesundheitsschädliche Stoffe hin überprüfen und belastete Exemplare „wegsperren“, sagt Schlechter, der auch Leiter der Abteilung Sammlungen im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz in Speyer ist. Arsen in Büchern sei allerdings „kein Riesenproblem“.

Das Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Technischen Hochschule Köln führte zu arsenbelasteten Büchern in den Jahren 2020 und 2021 ein Modellprojekt an der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn durch.

Auch kirchliche Archive und Bibliotheken überlegen nun, wie sie mit dem Problem umgehen – das freilich schon länger bekannt ist, wie Matthias Piontek vom Landeskirchenarchiv der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) in Magdeburg sagt. Innerhalb der Landeskirche gebe es mehr als 1.000 Bibliotheken, deren Bestände erst nach und nach katalogisiert würden. Derzeit seien knapp 8.000 Titel erfasst, wobei Bücher aus dem 19. Jahrhundert nur einen kleinen Teil ausmachten.

Eine groß angelegte Überprüfung aller Bestände sei daher schwierig und derzeit nicht geplant, sagt Piontek. Gleichwohl habe man Vorsichtsmaßnahmen für die Mitarbeiter getroffen. Da Arsen vor allem im Kontakt mit Haut und Schleimhäuten gefährlich sei, würden bei der Bearbeitung eines „verdächtigen“ Buches Mund-Nase-Masken und Handschuhe getragen. Diese biete man auch den Bibliotheksnutzern an. Eine Sperrung von Beständen sei aber nicht geplant, zumal eine grüne oder gelbe Farbe noch kein Hinweis auf Arsenbelastung sei und das Gift in unterschiedlichen Konzentrationen vorkomme.

Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek in Wittenberg hat ihre rund 220.000 Bücher umfassenden Beständen bereits stichprobenartig überprüft. Arsenbelastungen seien dabei nicht festgestellt worden, sagt Bibliotheksleiterin Caecilia-Désirée Hein. Eine gezielte Durchsuchung des Bestands sei nach aktuellem Stand nicht geplant.

Dass Bibliotheksnutzer versehentlich ein arsenbelastetes Buch in die Hände bekommen, ist ohnehin unwahrscheinlich. Altbestände sind in allen Bibliotheken generell nicht frei zugänglich. Dies gilt auch für das Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer. Oberstes Ziel sei es, Bibliotheksbesucher zu schützen und belastete Bücher wegzusperren, sagt Archivarin Gesine Parzich.