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Appia Antica soll Italiens 60. Unesco-Welterbestätte werden

Ab Freitag entscheidet sich, ob Italien seine 60. Unesco-Welterbestätte erhält: Die Via Appia Antica, wo Jesus laut Legende Fußspuren hinterließ. Dokumentiert sind sie in der Kirche “Quo Vadis” – und im gleichnamigen Film.

Wenn es die Römer ins Grüne zieht, landen sie oft im Südosten ihrer Stadt: Dort, wo Schafherden endlose Weiden finden, Rad- und Wanderwege über 2.000 Jahre alte Basaltquader führen und eine unbändige Pflanzenvielfalt sich an christliche Gräber, heidnische Tempel und römische Villen heranmacht. Auf den 4.580 Hektar von Europas größtem städtischen Regionalpark vereinen sich im Schatten von Zedern, Zypressen und Schirmpinien Archäologie und Natur zur einzigartigen “Via Appia Antica”.

Läuft alles nach Plan, wird das 16 Kilometer lange “Freilichtmuseum”, das sich seit vorchristlicher Zeit als “Königin der Straßen” weiter bis in Italiens Stiefelabsatz zieht, bald in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen: als Nummer 60 für Italien, womit das Land seinen Spitzenplatz mit den meisten schützenswerten Stätten der Menschheit weiter ausbauen würde. Die Entscheidung soll ab Freitag (26. Juli) bei der Sitzung des Unesco-Welterbekomitees im indischen Neu Delhi.

Dabei hat die “regina viarum” eine kontroverse Geschichte. Begonnen 312 v. Chr. unter dem namensgebenden Konsul Appius Claudius Caecus, garantierte sie jahrhundertelang die direkte Verbindung von Rom bis nach Brindisi in Apulien. Auf dem 540 Kilometer langen Handelsweg wurden dem Römischen Reich wichtige Güter aus dem Orient geliefert – samt Sklaven.

6.000 von ihnen wurden 71 v. Chr. nach dem Sieg der Römer über Spartakus entlang der Via Appia gekreuzigt. Urheber dieses grausamen Aktes war Marcus Licinius Crassus, Schwiegervater von Caecilia Metella, deren mächtiges Grabmal noch heute an der Via Appia zu sehen ist; nur eines der vielen Zeugnisse verschiedener Epochen, die wenige Kilometer vom Kolosseum entfernt beginnen und sich bis in die weite Landschaft der römischen Campagna ziehen, wo einst Goethe sich porträtieren ließ.

Gerade für religiös Interessierte ein Muss sind Kirchen und Grabmäler der frühen, damals noch von der Staatsmacht verfolgten Christen: die Katakomben von Domitilla, Callixtus und Sebastian mit der gleichnamigen Basilika; oder die Kirche San Nicola, einziges Beispiel der Zisterziensergotik in Rom.

Nach der Villa und dem Mausoleum des Maxentius beginnt der lange gerade Abschnitt der Römertrasse, der außergewöhnlich gut erhalten ist. Denn schon in Sachen Straßenbau markierte die Via Appia eine Revolution: Mit ihren eng aneinanderliegenden Platten aus behauenem Basalt war sie bei jedem Wetter befahrbar. Noch heute ist das antike Pflaster an vielen Stellen erhalten, gezeichnet von Spuren der Karren und teils gesäumt von den alten Bürgersteigen, den sogenannten Crepidinen. Auf einigen Abschnitten ist die Straße für jeglichen motorisierten Verkehr gesperrt – doch auf viel zu wenigen, so meinen Kritiker.

Für Besucher ist der Regionalpark bestens erschlossen: Das Appia Antica Service Center bietet neben Unterkünften auch Karten, Programmtipps, einen Fahrradverleih sowie Führungen zu Fuß, per Rad oder Minicar. Eine neue Multimedia-Ausstellung schickt den Besucher auf eine virtuelle Zeitreise durch die Geschichte der “regina viarum”.

Nach der Villa der Quintilier und dem imposanten kreisförmigen Grab “Casal Rotondo” aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. bietet sich der Rückweg über das Caffarella-Tal an. Dort durchziehen alte römische Aquädukte die weite Landschaft und erlauben den Blick bis in die Berge. Das Blöken von Schafen und das Singen zahlloser Zikaden lassen vergessen, dass der Moloch Rom nur wenige Kilometer entfernt ist.

Literatur- und Kinofans ist die Via Appia durch das Hollywood-Epos “Quo Vadis” von 1951 bekannt, noch immer ein Muss im TV-Programm an Ostern und Weihnachten. Es erzählt die Geschichte des römischen Feldherrn Marcus Vinicius (Robert Taylor), der aus Liebe zur Christin Lygia (Deborah Kerr) den noch jungen Glauben annimmt. Eine Büste in der Kirche würdigt den Autor und Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz (1846-1916).

Kern des Romans von 1895 ist die Legende der kleinen “Domine Quo Vadis”-Kirche am Anfang der Via Appia: Hier soll Jesus dem vor Kaiser Nero – im Film unnachahmlich verkörpert von Peter Ustinov – fliehenden Petrus (Finlay Currie) erschienen sein. “Domine, quo vadis?” – “Herr, wohin gehst Du?”, soll der Apostel gefragt haben. “Ich gehe nach Rom, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen”, so die Antwort. Darauf kehrte Petrus beschämt zurück nach Rom, um der jungen Christengemeinde beizustehen – und selbst gekreuzigt zu werden.

Staunend steht der heutige Betrachter in der kleinen Kirche vor einer weißen Marmorplatte, auf der sich Fußabdrücke ausmachen lassen: Diese soll nach der Legende Jesus höchstselbst damals hinterlassen haben – eines der vielen Wunder der Via Appia Antica.