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„Anstrengend. Aber klasse!“

Sie prägte die westfälische Frauenhilfe. Jetzt geht Angelika Weigt-Blätgen in den Ruhestand.

Ein Leben für die Frauenarbeit: Fast 40 Jahre war Angelika Weigt-Blätgen im Dienst für die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen, davon 18 Jahre als leitende Pfarrerin. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Rückblick und Ausblick – darüber sprach sie mit Gerd-Matthias Hoeffchen.

 

Sie gehen nach 18 Jahren als leitende Pfarrerin der westfälischen Frauenhilfe in den Ruhestand – was überwiegt da? Bedauern? Erleichterung?
Es ist okay. Ich bin zweimal für dieses Leitungsamt wiedergewählt worden, und es war immer klar, dass ich mit Erreichen der Altersgrenze ausscheiden würde. Was mich bedrückt ist, dass mein letztes Jahr im Dienst dann so anders gekommen ist als gedacht. Es war noch so vieles geplant. Projekte. Jubiläen. Strukturberatung: Wie geht es weiter in den Arbeitsfeldern der Frauenhilfe? Unter meiner Nachfolgerin wird das alles gut weitergehen. Aber das Gefühl, den Übergang nicht so gestalten zu können, wie ich das gerne getan hätte, das schmerzt. Ganz grundsätzlich bin ich der Meinung, dass starre Altersgrenzen künstlich sind. Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, nicht weitermachen zu können – wo auch immer. Das sollte flexibler gestaltet sein.

 

Sie haben sich praktisch ihr ganzes Berufsleben für Frauenförderung und Frauenpolitik eingesetzt. Ist das eine Berufung?
Zumindest haben mich diese Themen schon ganz früh gepackt. Spätestens im Studium, als ich die Anfänge der feministischen Theologie kennenlernte. Das muss 1974 gewesen sein. Es ging los damit, dass wir uns mit den Frauengestalten der Bibel beschäftigten und ging dann immer mehr in die Tiefe, wurde intensiver. Bis in die Kernfragen der Theologie. 1975 gründeten wir eine AG westfälischer Theologiestudentinnen, wir hörten Dorothee Sölle, lasen die Schriften südamerikanischer Theologinnen. Wir sind später nach Holland gefahren, um dort fortschrittlichere Vorlesungen zu hören. Wenn damals Frauen, die mit einem angehenden Pfarrer verheiratet waren, ins Pfarramt wollten, hieß es auf der Landessynode: Wir geben nur eine Pfarrstelle in eine Ehe, wir wollen keine Doppelverdiener – so viel zu Chancengerechtigkeit für Frauen.
Gerechtigkeit und Chancengleichheit haben mich von jeher beschäftigt. Vielleicht hängt das mit meiner Lebensgeschichte zusammen. Ich stamme aus einer Dortmunder Arbeiterfamilie, mein Vater war Arbeiter bei Hoesch.

 

Was behalten Sie in der Erinnerung als Freude und Erfolg? Was waren die Enttäuschungen?
Die Frauenhilfe ist einfach toll. Was mich besonders begeistert hat, ist ihre Kampagnenfähigkeit. Zum Beispiel für das Rettungsschiff „United for Rescue“. Oder als wir den Weltgebetstag für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen haben. Ruckzuck hatten wir mehr als 40 000 Unterschriften zusammen. Oder die Unterstützung für unsere Beratungsstellen für Prostituierten- und Ausstiegsberatung. Da gibt es eine große Solidarität und auch eine große Spendenbereitschaft.

 

Quer durch alle Regionen?
Ja! Ich war jahrelang in ganz Westfalen unterwegs, so manchen Sonntag. Habe ganz viel in den Kirchengemeinden gepredigt. Es ist total faszinierend, diese unterschiedlichen Prägungen zu erleben, gerade auch in der Frömmigkeit, etwa zwischen Ruhrgebiet und Siegerland. Aber verbunden sind alle Frauenhilfen durch große Loyalität. Auch deshalb konnte der Ausbau unserer sozialdiakonischen Einrichtungen gelingen. Wir konnten Themen wie Antigewaltarbeit und Geschlechtergerechtigkeit in das Bewusstsein von Mitarbeitenden und Bewohnerinnen  und Bewohnern bringen. Bis hin zur der Frage: Von wem will ich gepflegt werden?

 

Und was war nicht so schön?
Betrüblich ist für mich vor allem der Rückgang der Mitgliedszahlen. Da geht es uns zwar nicht anders als Parteien, Vereinen oder Gewerkschaften. Trotzdem bleibt die Frage: Ist es uns gelungen, den Mehrwert der Frauenarbeit überzeugend genug darzustellen, die sich außerhalb der Kirchengemeinde organisiert? Hatten wir ausreichend Fantasie?
Auf der anderen Seite begegnet mir gerade jetzt, in der Pandemie, überall eine starke Verbundenheit. Trotz Kontakteinschränkungen engagieren sich ganz viele unserer Frauen. Wir stellen ihnen zwei Andachten pro Monat zur Verfügung. Die werden mit Begeisterung weiter verbreitet, per Video und Internet vorgelesen. Oder Telefon. Oder auch über den Balkon.

 

Wie geht es jetzt für Sie persönlich weiter im Ruhestand?
Erst mal laufen ja noch eine Reihe von Ämtern und Gremien weiter, auch auf der Ebene der Evangelischen Frauen in Deutschland und der Diakonie Deutschland. Mindestens bis Jahresende. Ob ich mich dann noch mal zur Wiederwahl stelle, habe ich noch nicht entschieden. Ich werde einfach mal abwarten, wie sich Ruhestand anfühlt. Ansonsten muss ich mir jetzt überlegen, in welche Richtung mein Engagement gehen wird. Nach der jahrzehntelangen Gremienarbeit würd ich jetzt gern etwas Handfestes machen, etwas Praktisches. Vielleicht im Besuchsdienst. Oder bei einer Tafel. Vielleicht auch beim Verein „Arbeiterkind“.

 

Mit einem Satz: Wie blicken Sie zurück auf die vielen Jahre bei der Frauenhilfe?
Es war oft anstrengend, aber klasse!