Die Religionspolitiker der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen bald ein Gesetz zur Ablösung der Staatsleistungen auf den Weg bringen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Freitag) berichtet, soll der für den Herbst geplante Gesetzentwurf so gestaltet werden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Ländervertreter, die das Vorhaben ohnehin ablehnen, kritisieren das. Kirchenrechtler sehen das Vorgehen aber juristisch gedeckt. Die evangelische Kirche hofft auf Einvernehmen aller Seiten.
Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen abzulösen. Möglich wäre das etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen.
Die Ampel-Koalition hatte 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart, dazu ein Grundsätzegesetz vorzulegen. Fachpolitiker arbeiten an einem Gesetzentwurf für den Rahmen der Ablösung, der vom Bund kommen muss, während die Länder anschließend die konkreten Details verhandeln müssten, weil sie die Leistungen zahlen.
Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich bin klar dagegen, das Grundsätzegesetz zustimmungspflichtig auszugestalten.“ Dem Bericht zufolge sollen die Vorgaben zur Ablösung der Staatsleistungen vage bleiben. „Es wird sicher kein Text, der Ländern abschließend die Form der Ablösung vorschreiben wird“, sagte Castellucci. Die Länder sollten selbst wählen, ob sie den Kirchen Geld zahlen wollen, oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertrügen.
Nach Worten des Kirchenrechtsexperten Stefan Korioth ist das genau so möglich. „Wenn dieses Gesetz sich auf die Grundsätze beschränkt und den Ländern verschiedene Ablösungswege offen hält, ist das nicht zustimmungspflichtig“, sagte der Münchner Professor für Öffenliches und Kirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Unabhängig davon rät er aber zu Verhandlungen mit den Ländern. „Auch wenn es keiner förmlichen Zustimmung bedarf, wäre es der richtige Weg, sich mit den Ländern abzustimmen“, sagte er.
Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig findet sogar, dass die Zustimmungspflicht ausgeschlossen werden muss. „Der Bund ist hier als ‘ehrlicher Makler’ in der Pflicht, weil die Länder ihrerseits als Schuldner der Staatsleistungen Partei sind“, sagte der Jura-Professor dem epd. Bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz würde der Bund den Ländern eine „nicht vorgesehene Veto-Position“ zugestehen, sagte Heinig, der auch zur Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehört.
Die Bevollmächtigte der EKD in Berlin, Anne Gidion, wiederum hofft auf Gespräche zwischen Bund und Ländern. „Aus Perspektiven der Kirchen besteht großes Interesse daran, mit den Ländern einvernehmliche Lösungen zu finden“, sagte sie. Das Gesetz müsse die berechtigten Anliegen aller Seiten in produktiven Einklang bringen. „Sonst führt es zu keiner guten Lösung“, sagte sie.
Der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU), warnte vor einem Alleingang auf Bundesebene. „Es wäre dem deutschen Staatsaufbau angemessener, ein zustimmungspflichtiges Gesetz vorzulegen“, sagte Robra der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Länder würden die Zustimmungspflichtigkeit prüfen und gegebenenfalls rügen.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Ich kann nur dazu raten, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen.“ Die Haushaltslage in vielen Bundesländern sei „so angespannt, dass Ablösezahlungen an die Kirchen in absehbarer Zeit finanziell schlichtweg nicht darstellbar sind“.
Aus der CDU kommt laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ noch ein anderer Vorschlag. Günter Krings (CDU), der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, möchte demnach nicht die Staatsleistungen streichen, sondern den Passus über deren Ablösung im Grundgesetz. „Das Staat-Kirche-Verhältnis hat sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt“, sagte Krings der Zeitung. Daher stelle sich die Frage, ob sich der Verfassungsauftrag nicht überlebt habe.
Kirchenrechtler Korioth überzeugt das nicht. Das sei im Wege einer Verfassungsänderung möglich, „aber sehr merkwürdig“, sagte er. Seit 105 Jahren bestehe der Auftrag, die Leistungen abzulösen: „Wenn man jetzt dazu überginge, die Staatsleistungen zu perpetuieren, wäre dies eigentümlich.“