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Am Anfang war ein Lutheraner

Im Siegerland war – wie auch andernorts – die Reformation eng mit der Bildung verbunden. Der gebürtige Sachse Erasmus Sarcerius spielte dabei eine wesentliche Rolle. Er wurde als Rektor an die Siegener Lateinschule berufen

Das Jahr 1531 war auf den ersten Blick für die Entwicklung des Protestantismus im Siegerland ein ganz entscheidendes Jahr. Graf Wilhelm von Nassau heiratete evangelisch, nämlich Juliana von Stolberg. Im selben Jahr hörte allmählich der römisch-katholische Gottesdienst in Siegen auf. Nach Dillenburg kommt, wie bereits ein Jahr zuvor schon nach Siegen, ein lutherischer Pfarrer. Dies waren die Veränderungen in der religiösen Großwetterlage des Siegerlandes.
Damit ist aber noch wenig über die Veränderungen hin zur Reformation bei den normalen Bürgerinnen und Bürgern gesagt. Dafür mag ein zweites Datum von sogar größerer Bedeutung gewesen sein: 1536 wurde Erasmus Sacerius auf Initiative des lutherisch gesinnten Grafen Wilhelm und auf Empfehlung Phillipp Melanchthons als Gründungsrektor an die neu entstehende Siegener Lateinschule berufen. In der Festschrift zum 400. Jubiläum der Schule aus dem Jahre 1936 wird Sarcerius als „der eigentliche Reformator des Nassauerlandes“ bezeichnet. Nun sind solche Zuschreibungen immer mit Vorsicht zu genießen, hängt Reformation doch selten nur von einer Person ab, aber es deutet eine Schlagrichtung an. Als Rektor einer Schule war der Einfluss auf die Bildung und auch die religiöse Prägung nicht zu unterschätzen.
Sarcerius stammt aus der sächsischen Bergstadt Annaberg, wo er am 14. April 1501 geboren wurde. Nach Studienaufenthalten in Freiburg und Leipzig geht Sarcerius 1524 nach Wittenberg. Einzelheiten über seine Beziehungen zu Martin Luther und Melanchthon sind nicht bekannt. Aus der Grabrede auf Sarcerius lässt sich entnehmen, dass er „aus dem Munde und Schriften Doktor Luthers gelernt, des Diszipel und Schüler er gewesen“ ist.
Wann Sarcerius Wittenberg verließ, ist unbekannt. Er war danach an verschiedenen Schulen als Lehrer tätig, zuletzt in Lübeck. Der Weggang aus Lübeck war wohl zweifach motiviert: Zum einen machte seine Gesundheit einen Klimawechsel erforderlich und zum anderen hatte er wohl das Gefühl, dem Rufe des nassauischen Landesherrn, zu dessen Herrschaftsbereich das Siegerland gehörte, zu einer größeren Aufgabe im Dienste der Reformation folgen zu müssen. Am 15. Juni 1536 wird Sarcerius durch Magister Wilhelm Knüttel in Siegen in sein Amt eingeführt. Dienstwohnung wurde das zwei Jahre zuvor aufgelöste Franziskanerkloster, in dem sich heute der Campus Unteres Schloss der Universität Siegen befindet.
Wie eng das Schulwesen und die Reformation in Siegen zusammenhängen, lässt sich sehr gut an der Person von Sarcerius verdeutlichen. Ihm wurde neben der Tätigkeit als Rektor der Schule auch das Amt des Superintendenten übertragen. Sarcerius fand in den seit 1538 regelmäßig von ihm abgehaltenen Synoden das rechte Mittel, die lutherische Lehre im Sinne Melanchthons zu festigen. Sacerius schrieb Katechismen, praktische Schrifterklärungen und Predigten. Weitere enge Verbindungen von Schulwesen und Reformation zeigen sich an folgenden Punkten: Das Gehalt des Rektors wurde zu einem größeren Teil von der Kirche bezahlt.
Gleiches gilt für die Kosten für Um- und Anbau des Schulgebäudes. Abrechnungen dazu finden sich in den Kirchbüchern. Dass man sich zeitgleich mit der Einführung der Reformation sich auch um eine Ausbesserung der alten Schulräume bemühte, beweisen verschiedene Notizen aus Kirchenrechnungen, die bis ins Jahr 1532 zurückreichen. Auch über die Anschaffung von Büchern berichten die Kirchenrechnungen.
Am Beispiel von Erasmus Sarcerius zeigt sich, wie eng Bildung und Reformation zusammengehörten. In den zehn Jahren seiner Siegener Tätigkeit festigte sich die evangelische Frömmigkeit und es entstand ein gebildeter Pfarrerstand. 1548 verließ Sarcerius Siegen, da er sich dem für die Grafschaft geltendem Augsburger Interim, das eine teilweise Rückkehr zu katholischen Formen forderte, nicht beugen wollte.