UK 28/2015, Albert Schweitzer (Seite 11: „Maßstab der Menschlichkeit“)
Wenn man das Leben und Wirken Albert Schweitzers betrachtet, darf ein Hinweis auf die enorme Bedeutung seiner ethischen Grundsätze für den Tierschutz nicht fehlen, die leider allzu oft hintangestellt wird. Denn es war Schweitzer, der auf die dringende Notwendigkeit hinwies, Tiere in das ethische Denken und Handeln einzubeziehen und sie nicht länger auszuschließen. „Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, dass die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werke durch die Spuren seiner Pfoten entstelle“, so bemängelt Schweitzer die Vernachlässigung der Tiere, „also wachen die europäischen Ethiker darüber, dass ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen“.
Was ist nun 50 Jahre nach seinem Tod aus Schweitzers Postulat einer „unbegrenzten Verantwortlichkeit allem Lebendigen gegenüber“ geworden? Auch heute noch wähnt der Mensch sich in einer Position, in der er nach eigenem Gutdünken die Tiere für seine Zwecke be- und ausnutzen kann.
Er lässt Tiere in Massenställen, Transportern und Schlachthöfen leiden und streitet um jeden Quadratzentimeter, wenn es darum geht, Tieren mehr Lebensraum zu gewähren. Er mästet seine Mitgeschöpfe unter grausamen Bedingungen und in unvorstellbaren Mengen und zeigt auch nicht das geringste Zeichen, die Schweitzersche Ehrfurchtsethik verinnerlicht zu haben – von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, die auch heute noch mitunter wie Rufer in der Wüste erscheinen.
Obwohl Schweitzers Ethik praktikabel und zukunftsweisend war und ist, konnte sie sich nicht durchsetzen. Warum nicht? Die Antwort gibt Albert Schweitzer selbst: „Auf egoistischem Boden kann das Ethische nicht wachsen.“ Überwinden wir also endlich unseren menschlichen Egoismus und widmen uns verstärkt und umfassend dem Tierschutz! „Tierschutz“, so belehrt uns Albert Schweitzer, „ist Erziehung zur Menschlichkeit“.
Reinhild Flume, Dortmund
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Albert Schweitzer nicht ohne Tierschutz denken

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