Im Süden von Hamburg, ein paar Meter den Hügel hoch von der S-Bahn-Station Harburg-Rathaus, befindet sich das Abrigado. Eine umzäunte Einrichtung für drogenabhängige Menschen. Es ist Montag, kurz vor Mittag, kurz vor Öffnung. Etwa 30 Gäste stehen bereits wartend und rauchend im Hof. „Hier gibt es eine relativ große Szene an wohnungslosen Menschen, die auch im öffentlichen Raum präsent sind“, sagt Sozialarbeiter Steffen Ostermann. Die Menschen schlafen entweder an der Bahnstation oder in Zelten vor der Einrichtung. „Es gibt hier in Harburg viel zu wenig adäquate Schlafangebote für diese Personengruppe, gerade in Kombination mit Drogengebrauch.“
Das Abrigado ist eine niedrigschwellige Anlaufstelle für drogenabhängige Menschen. „Wir haben einen offenen Café-Bereich, in dem wir Überlebenshilfe anbieten und einen Konsumraum“, erklärt Sozialarbeiter Herman Köhn. „Unsere Gäste können hier Drogen konsumieren, sowohl inhalativ, intravenös als auch nasal.“ Im hinteren Bereich ist die Tür zum sogenannten Expressraum. „Eine Idee, um den Crack rauchenden Gästen ein Angebot zu machen. Der kann selbstverwaltet benutzt werden, damit sie dort schnell ihre Pfeife rauchen können.“
Das Abrigado und die Arbeit der Drogenhilfe im Harburger Raum gibt es seit 30 Jahren. Zum Angebot gehören der offene Bereich, Überlebenshilfe, hygienische Angebote wie Duschen, Spritzen tauschen, eine medizinische Sprechstunde, aber auch eine warme Mahlzeit und die Möglichkeit zum Ausruhen. Konsumraumarbeit bedeutet für die Sozialarbeiter, „dass Drogenkonsum nicht im öffentlichen Raum stattfinden muss, wo die Leute von Kriminalisierung betroffen sein können“. Denn wenn eine Polizeistreife Menschen beim Konsum erwischt, habe das Konsequenzen.
Im hinteren Bereich ist der Druckraum mit Tisch und Stühlen für den intravenösen Konsum. Dort sitzt immer ein Mitarbeiter bei den Gästen, um den Konsum zu beaufsichtigen. Von dort kann er durch ein Fenster auch den Raucherraum einsehen, falls etwas passiert. „Dafür sind alle Mitarbeitenden geschult“, berichtet Köhn. Ostermann ergänzt: „Wenn eine Person bei uns im Drogenkonsumraum vernotfallt, kennen alle die Abläufe, alle wissen, wie zu reagieren ist und versuchen, die Situation bestmöglich zu handhaben.“
Geschützter Konsum heißt hygienisch sauber, in einer sicheren Umgebung. Daher sind Konsumräume wie die im Abrigado wichtige Bestandteile der Drogenhilfe. „Wir versuchen, unseren Gästen frei von Stigmatisierung und Ausgrenzung zu begegnen. Das ist auch ein bisschen ein Gegenstück zu dem, was sie sonst wahrscheinlich im Alltag erfahren“, erklärt Köhn.
Doch nicht nur um beaufsichtigten Konsum geht es in der Drogenhilfe, sondern vor allem um Überlebenshilfe. Ostermann merkt an: „Grundsätzlich sind die Angebote, die in Hamburg bestehen, für einen Teil unserer Gäste ungeeignet, weil Drogenkonsum ein Ausschlusskriterium ist.“ Außerdem fielen viele Gäste aus dem Raster, weil sie von Leistungsausschlüssen betroffen seien.
„Wir interpretieren unsere Arbeit so, dass wir ein politisches Mandat haben und letztlich als Sprachrohr für unsere Gäste fungieren, die viel zu selten als Subjekte wahrgenommen und gehört werden“, sagt Ostermann. Aber es geht den beiden Sozialarbeitern auch darum, auf strukturelle Probleme hinzuweisen, sagt Köhn: „Wir merken, dass Ausgrenzung und Stigmatisierung auch in unserer Stadt weiter zunehmen. Und da braucht es Maßnahmen dagegen.“
Die beiden Sozialarbeiter wünschen sich für die Arbeit und die Situation ihrer Gäste mehr Gehör und die Möglichkeit für weiterführende Angebote. „Dafür braucht es mindestens eine konsumtolerante Notschlafstelle hier im Süderelberaum, wenn nicht sogar allgemein eine bessere Versorgung – nicht nur von drogengebrauchenden, sondern von allen wohnungslosen und obdachlosen Menschen in Hamburg und Harburg.“ Das Abrigado gibt ihnen eine Stimme.