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Ab 1. April darf legal gekifft werden

Die Ampelkoalition sieht im entkriminalisierten Konsum von Cannabis die Antwort auf eine gescheiterte Drogenpolitik. CDU-Ministerpräsidenten warnen hingegen vor Drogenopfern und einem Schub für den Schwarzmarkt

Die Entscheidung im Bundesrat war mit Spannung erwartet worden. Weil die Länderkammer am Freitag auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtete, ist erstmals den Weg für einen geregelten Rauschgiftkonsum für Erwachsene in Deutschland frei. Minderjährigen ist der Konsum weiterhin untersagt.

Immerhin hatten die Ausschüsse für Recht, Gesundheit und Justiz im Bundesrat Nachverhandlungen mit dem Bund beantragt. Und nicht nur Unionspolitiker hatten sich gegen ein Durchwinken ausgesprochen. Inhaltlich ging es um weit mehr als die umstrittene Amnestieregelung. Die Gegner der Teillegalisierung beriefen sich auch auf Warnungen von Ärzteverbänden, Psychotherapeuten, Juristen und Polizisten.

Ab dem 1. April dürfen nun Erwachsene bis zu 25 Gramm Haschisch und Marihuana im öffentlichen Raum und 50 Gramm zuhause besitzen. Außerdem können sie drei Cannabispflanzen zum Eigenverbrauch ziehen. Sie dürfen allerdings nicht in der Nähe von Minderjährigen kiffen, auch nicht in Sichtweite von Schulen und Kindertagesstätten und in Fußgängerzonen vor 20 Uhr.

Ebenso bleibt der An- und Verkauf von Cannabis untersagt. Allerdings kann die Droge in sogenannten Cannabis-Clubs, das sind nichtkommerzielle Genossenschaften, mit bis zur 500 Mitgliedern angebaut werden. Die Regelung hierzu soll aber erst im Sommer in Kraft treten. Die Regierung erwartet, dass bis zu 3.000 Gewächshäuser entstehen. Dabei dürfen pro Person 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm innerhalb eines Monats abgegeben werden. Für Erwachsene bis 21 Jahren ist die Abgabe auf 30 Gramm pro Monat beschränkt und der THC-Gehalt ist ebenfalls verringert; er sorgt für den Rausch. Ein Gramm Cannabis reicht im Schnitt für drei Joints.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründete die “Modernisierung” mit einem Scheitern der bisherigen Drogenpolitik. Ziel sei es, den Schwarzmarkt mit seinen verunreinigten Produkten zu bekämpfen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte die Entscheidung zur Entkriminalisierung der Droge. Gegenüber der Funke-Mediengruppe zeigte er sich gewiss, “dass die neuen Regeln auch schon bald zu einer Entlastung für unsere Justiz führen werden”.

Der Konsum führt nach medizinischen Erkenntnissen bei manchen Konsumenten bis zum 25. Lebensjahr zur unheilbaren Schäden im Entwicklungsprozess des Gehirns. Er wird für Psychosen, Depressionen und Angststörungen verantwortlich gemacht. Außerdem wirft Abhängigkeit viele Menschen aus der Lebensbahn.

Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hatte vor allem für jüngere Erwachsene eine geringere Höchstmenge verlangt. Außerdem forderte er eine wirksamere Prävention und größere Sicherheitsabstände.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor mehr Todesfällen im Straßenverkehr und vor mehr Drogentoten, da Cannabis als Einstiegsdroge für harten Konsum gilt. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begründete seine persönliche Ablehnung mit dem Verweis auf die vielen Opfer von Drogenmissbrauch. Er warnte davor, eine “Büchse der Pandora” zu öffnen.

Mehrere Landesminister befürcjtem eine Überforderung der Justiz durch den rückwirkenden Straferlass. Dabei müssten Strafen im Nachhinein neu festgesetzt werden, wenn das Drogendelikt nur eines unter anderen Straftaten war. Laut Richterbund müssen “bundesweit mehr als 200.000 Strafakten nochmals überprüft werden, was die Strafjustiz über Wochen und Monate von anderen Aufgaben abhält”.

Umstritten ist auch die Wirkung auf den Schwarzmarkt. Die Landesjustizministerin von Brandenburg, Susanne Hoffmann, widersprach der These von der Eindämmung. Stattdessen sei mit einer steigenden Nachfrage zu rechnen. Da die Anbauclubs erst noch entstehen müssten und den Bedarf absehbar nicht deckten, sei die Regelung eine Einladung an die organisierte Kriminalität.

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sprach gegenüber der Düsseldorfer “Rheinischen Post” von einem “schwarzen Tag der Drogenpolitik”. Es sei ein Trauerspiel, dass auch die Mehrheit des Bundesrates die parteiübergreifenden Warnungen und Beschlüsse der eigenen Ausschüsse ignoriere.