Am 17. Juni 1953 protestierten Hunderttausende in der DDR gegen politische Repression und die wirtschaftliche Krise, der Aufstand wurde mithilfe der Sowjetunion gewaltsam niedergeschlagen. In der Bundesrepublik war der 17. Juni bis 1990 nationaler Gedenktag und gesetzlicher Feiertag. Über dessen Bedeutung sprach der Evangelische Pressedienst (epd) mit der Historikerin Franziska Kuschel. Sie leitet den Arbeitsbereich Wissenschaft der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Der 17. Juni war in der alten Bundesrepublik Feiertag, aber dessen inhaltliche Bedeutung wurde dort vielfach nicht wahrgenommen. Warum war das so?
Franziska Kuschel: Je unwahrscheinlicher die Wiedervereinigung wurde, desto weniger verstanden Bürgerinnen und Bürger das, was da gefeiert wurde. Die Erinnerung an den Volksaufstand in der DDR verblasste mit den Jahren. Politische Gedenkreden gab es in der Bundesrepublik natürlich weiter, aber die fanden immer weniger Aufmerksamkeit. Der Alltag vieler Westdeutscher sah einfach anders aus. Der Feiertag wurde eher für Ausflüge ins Grüne genutzt. Anfangs sah der Feiertag übrigens so aus, dass es unzählige Mahnfeuer entlang der innerdeutschen Grenze gab, Einheitsfeiern und Staffelläufe durch die Bundesrepublik.
Welchen Zweck verfolgte der Feiertag ursprünglich, an wen war er gerichtet – an die Ost- oder Westdeutschen?
An beide. Die Hoffnung auf einen Sturz des kommunistischen Regimes war groß, aber die politischen Umstände in den folgenden Jahrzehnten, besonders nach dem Mauerbau 1961, machten die Wiedervereinigung immer unwahrscheinlicher. Für viele wurde sie zu Lebzeiten undenkbar. Die offizielle Seite der DDR verstand den Feiertag natürlich als Provokation.
Wie sah es in der DDR mit der Erinnerung an den Volksaufstand aus?
Die Partei- und Staatsführung der DDR hatte den Volksaufstand zum „faschistischen Putschversuch“ umgedeutet – und es auch geschafft, ihn aus dem Gedächtnis der Ostdeutschen weitgehend zu verdrängen. Auf einer anderen Ebene brannte er sich aber tief ins kollektive Gedächtnis ein. Für die Menschen in Osteuropa war der 17. Juni ein Hoffnungsschimmer, dass ein Ende der kommunistischen Diktatur möglich war. Zugleich hat das Eingreifen der sowjetischen Panzer gezeigt, dass es aus eigener Kraft damals nicht möglich war, die Diktatur zu überwinden.
Letztlich hat der Volksaufstand gezeigt, dass es diesen Wunsch nach Selbstbestimmung und Freiheit gab, der auf Dauer nicht zu unterdrücken war. Deswegen ist aus heutiger Sicht der 17. Juni ein wichtiger Teil der deutschen und europäischen Demokratiegeschichte. Auch wenn der Aufstand damals niedergeschlagen wurde: 1989 hat eine friedliche Revolution doch Erfolg gehabt.