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90 Minuten Ausnahmezustand – DFB-Pokalfinale stresste Fans messbar

Das DFB-Pokalfinale war für viele Arminia-Fans das stressigste Erlebnis der Woche – das ist wissenschaftlich belegt. Anhand von Smartwatch-Daten zeigen Forschende, wie sich der Spielverlauf in den Vitalwerten widerspiegelt.

Am vergangenen Wochenende hat der VfB Stuttgart das DFB-Pokalfinale gegen den Drittligisten Arminia Bielefeld 4:2 gewonnen. Doch das Spiel hallt noch nach – Wissenschaftler der Universität Bielefeld hatten untersucht, wie gestresst die Arminia-Fans während des Finalspiels waren. Ihre am Dienstag veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Bei den Arminia-Fans stiegen schon lange vor Anpfiff am Samstagabend der Puls und die Belastungswerte deutlich an.

“Der Spielverlauf spiegelt sich klar in den Daten wider”, erklärte Christian Deutscher, Professor an der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaften. “Die frühe Chance zur Führung und der direkte Gegentreffer in der 15. Minute gehen zeitlich einher mit deutlich erhöhten Puls- und Stresswerten. Nach dem 0:2 und insbesondere dem 0:4 gingen beide Werte wieder zurück – möglicherweise, weil viele Fans das Spiel innerlich abgehakt hatten”, so der Wissenschaftler weiter. Kurz vor Spielende, als Arminia zwei Tore erzielte und ein drittes möglich schien, nahmen Puls und Stress allerdings erneut zu, berichtete Christiane Fuchs, Leiterin der Data-Science-Gruppe an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld.

Mehr als 200 Fans des Fußballclubs Arminia Bielefeld hatten ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung gestellt, die mithilfe ihrer jeweiligen Smartwatch aufgezeichnet wurde. Viele Fans hatten sich nach Angaben der Wissenschaftler frühzeitig zur Studie angemeldet, was einen Vergleich mit Vitalwerten aus dem Alltag ermöglichte. Demnach war das Zeitfenster des Pokalfinales das stressigste Erlebnis vieler Fans in den vergangenen Tagen – weit intensiver als der normale Alltag auf der Arbeit oder in ähnlichen Situationen.

So lag der Durchschnittspuls der Studienteilnehmer am Samstag der Vorwoche zwischen 20 und 22 Uhr bei knapp 76. Während des Finales am vergangenen Samstag (24. Mai) kletterte der Puls auf durchschnittlich knapp 90 – ein Anstieg von mehr als 18 Prozent. Die Auswertung der Forschenden zeigt den Höchstwert von 96 Herzschlägen pro Minute nach dem ersten Tor der Stuttgarter. Nach den folgenden Treffern der Stuttgarter kam es demnach zu jeweils geringeren Pulsanstiegen. Als Arminia gegen Spielende noch zwei Tore erzielte, stieg der Puls laut Forschern jedoch erneut auf bis zu 93.

Der zeitliche Verlauf des Stresslevels unterstreicht die enorme emotionale Bedeutung des Spiels, heißt es aus Bielefeld. Bereits ab Samstagmittag zeigen die Daten demnach deutlich die zunehmende Anspannung. “Insbesondere unmittelbar vor dem Anpfiff sind bedeutend gestiegene Stresswerte zu beobachten”, sagte Fuchs. “Analog zur Herzfrequenz sinkt aber auch das Stresslevel nach den frühen Gegentoren und bleibt dabei auch den Rest des Spiels auf einem Wert, der außerhalb des Spiels in der ganzen Woche nicht erreicht wird.”

Die Wissenschaftler Fuchs und Deutscher betonen: Die Parallelen von Spielverlauf und Herzfrequenz würden ins Auge stechen, aber ein ursächlicher Zusammenhang sei nicht nachgewiesen. “Ein erhöhter Puls kann auch durch andere Faktoren wie Reisetätigkeit, den Aufenthalt in Menschenmengen, Bewegung oder Alkoholkonsum ausgelöst werden”, so die Forscher. Sie wollen noch eine tiefergehende Analyse der Bewegungsdaten vornehmen, die mehr Einblicke liefern kann.

Außerdem sollen noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen folgen und auch Daten der Fans vom VfB Stuttgart ausgewertet werden. Deutscher verriet bereits: “Nach unserer ersten Analyse ähneln die Reaktionen der Stuttgart-Fans während des Pokalfinales denen der Arminen – insbesondere der Anstieg zu Spielbeginn und die Entspannung nach den ersten Toren sind deutlich zu erkennen.”

Bisher gibt es dem Sportwissenschaftler zufolge vereinzelt wissenschaftliche Untersuchungen zum “Fußball-Fieber”. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 sei zum Beispiel festgestellt worden, dass die Zahl der Herzattacken und tödlichen Herzinfarkte gestiegen war – insbesondere rund um das Finale gegen Argentinien. “Aber konkrete Daten gibt es darüber hinaus nicht”, sagte Deutscher vergangene Woche der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das ändert sich nun.