BIELEFELD – Erst wenige Tage ist es her, da ging eine Meldung durch die Presse, die aufhorchen ließ: „Zwillingsbrüder finden sich nach 70 Jahren“. Im Mittelpunkt: zwei polnische Brüder, die 1945 in einem Kinderheim lebten und dann in unterschiedlichen Familien untergebracht und so getrennt wurden. Einer der beiden zog später in die USA. Jetzt, nach 70 Jahren, trafen sich die Brüder in Polen wieder. Möglich wurde dies durch die Arbeit einer Suchorganisation.
Geschichten wie von den beiden Polen gibt es immer wieder. Auch Paul Hansel, kommissarischer Geschäftsführer des „Kirchlichen Suchdienstes“ (KSD), hat sie erlebt (siehe oben). Ein bekannter Suchdienst in Deutschland neben dem KSD, der Ende des Monats seine Arbeit einstellt, ist der „International Tracing Service“ (ITS; deutsch: Internationaler Suchdienst) in Bad Arolsen. In seinem Leitbild bekennt sich der ITS dazu, „die Erinnerung an die Namen der Millionen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zu wahren“.
Nach eigenen Angaben bewahrt der ITS historische Zeugnisse, beantwortet Anfragen von Überlebenden und Familienangehörigen und nutzt das Archiv für Forschung und Bildung. In den Archivräumen des ITS werden rund 30 Millionen Dokumente verwahrt. Mit ihrer Hilfe können, so heißt es, auch heute noch viele Schicksale aufgeklärt werden.
Die Geschichte des ITS begann im Januar 1946. Damals hatte die UNRRA („United Nations Relief and Rehabilitation Administration“; Hilfs- und Wiederaufbauorganisation der Vereinten Nationen) im hessischen Arolsen die Aufgabe der Familienzusammenführung, der Versorgung und der Rückführung von Millionen so genannter displaced persons übernommen. Als „displaced persons“ wurden Menschen bezeichnet, die sich kriegs- und verfolgungsbedingt außerhalb ihres Heimatlandes aufhielten, etwa ehemalige Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge.
1947 ging das Mandat für die Einrichtung an die IRO (International Refugee Organization/InternationaleFlüchtlingsorganisation) über. Die noch heute gültige Bezeichnung „International Tracing Service“ wurde am 1. Januar 1948 eingeführt. Arbeitete der ITS anfänglich unter alliierter Kontrolle, übernahm 1955 ein Internationaler Ausschuss mit Vertretern aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Israel, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen und den USA diese Aufgabe. Bis Ende 2012 wurde der ITS im Auftrag des Ausschusses vom Internationalen Komitee vom RotenKreuz (IKRK) gemanagt. 2013 ernannte der Ausschuss Rebecca Boehling als Direktorin. Institutioneller Partner des ITS ist derzeit das Bundesarchiv der Bundesrepublik Deutschland. Der ITS wird aktuell vom Bund mit rund 14 Millionen Euro pro Jahr gefördert.
Das ITS-Archiv hat nach eigenen Angaben seit seiner Gründung 11,8 Millionen Auskünfte erteilt und Korrespondenzakten zu mehr als drei Millionen NS-Verfolgten angelegt. Zur Zeit gehen monatlich etwa 1000 Anfragen aus rund 70 Ländern ein. Die meisten Suchaufträge kamen, so teilt der ITS mit, aus Deutschland, Osteuropa und den USA. Das Archiv verfügt, so heißt es, über 50 Millionen Hinweise mit Informationen zu 17,5 Millionen Menschen. UK
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50 Millionen Daten zu 17,5 Millionen Menschen
Der ITS in Bad Arolsen hält die Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur wach