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3sat-Dokumentation über alternatives “Fleisch”

Rund 52 Kilo Fleisch verzehrte ein Mensch in Deutschland im Jahr 2022. Über tierfreie “Fleisch”-Gewinnung aus dem Bioreaktor berichtet eine 3sat-Dokumentation.

Obwohl der Fleischkonsum seit Jahren tendenziell rückläufig ist, sind die Zahlen zur Herstellung des tierischen Nahrungsmittels alarmierend: “Fleisch frisst Land und alles, was dort lebt” heißt es am 25. April um 20.15 Uhr plakativ in der 3sat-Dokumentation “Echtes Fleisch ohne Tier – Die Zukunft schmeckt anders”.

Fleisch für bald zehn Milliarden Menschen mit Tieren zu produzieren – das kann der Planet nicht verkraften. Die Dokumentation von Ingolf Bauer zeigt Alternativen auf: Weltweit züchten Unternehmen aufwendig Muskelzellen, um die Lust auf Fleisch ökologisch und ethisch einwandfrei zu bedienen. An verschiedenen Orten in aller Welt kommen Fleisch und Fisch ohne Tierleid und schlechtes Gewissen aus dem Bioreaktor.

Im Film macht Baur – seit 30 Jahren Wissenschafts-Journalist – unter anderem Station bei Joshua Stephen Tetrick. In Kalifornien erhielt der Unternehmer mit “Good Meat” eine Zulassung der Gesundheitsbehörde für kultiviertes Fleisch. Seit acht Jahren vermehrt er in großen Tanks Muskelzellen von Hühnern und “füttert” sie mit allem, was ein echter Geflügelkörper auch zu bieten hat: unterschiedlichste Kohlenhydrate, Proteine, Fette, Vitamine, Mineralstoffe – alles ist pflanzenbasiert.

Noch kostet sein Brei aus Zellen, der mithilfe eines pflanzlichen Gerüsts zu fasrigem Fleisch geformt wird, pro Kilo viele Hundert Dollar. Die Frage für Tetrick ist: Lässt sich seine Produktion anpassen an einen global relevanten Maßstab?

Im Film beschreibt der Gründer seine Vision, die aus Problemen im globalen Nahrungsmittelsystem entstand: “Ich bin in Birmingham, Alabama aufgewachsen, mit Chicken Wings, Burgern und Grillparties vor Football Spielen. Ich liebe den Geschmack von Fleisch! In der Zukunft werden wir es herstellen, ohne Tiere zu töten, ohne einen einzigen Baum zu fällen, ohne die ganzen Antibiotika und Treibhausgase. Wir werden zurückblicken und sagen, wir waren verrückt.”

Nicht nur Fleisch soll in Zukunft sauber werden: Einige Start-ups in Amerika und Finnland züchten Fischzellen im Bioreaktor. Der Molekular-Biologe und Kardiologe Arye Elfenbein will mit seiner Firma “Wildtype” die Lachse retten. In Edelstahltanks einer ehemaligen Brauerei hat er begonnen zu erforschen, wie sich Lachszellen am besten züchten lassen. Mittlerweile zählt seine Pilot-Fabrik 70 Beschäftigte, und Elfenbein rechnet damit, als erstes Unternehmen in den USA seinen kultivierten Fisch verkaufen zu können.

Auch durch Besuche in Winterthur in der Schweiz und Balingen auf der Schwäbischen Alb verdeutlicht die Doku anschaulich das Ungleichgewicht von Tierhaltung und Fleischverzehr. So erzeugt die Haltung etwa zwölf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen; rund 80 Prozent allen fruchtbaren Landes werden für Tiere und ihr Futter genutzt. Für die Fleischproduktion werden Regenwälder abgeholzt und – als größte Bedrohung für die Artenvielfalt – Unmengen an Pestiziden versprüht. Im Gegenzug liefern tierische Lebensmittel aber nur 18 Prozent der Kalorienversorgung.

Fazit der Doku: Nicht nur das Tierwohl, auch der ökologische Fußabdruck der industriellen Tierhaltung verlangt ein Umdenken, denn die massenhafte Tierzucht ist zum globalen Problem geworden. “Wir zeigen die Belastungen, die unsere Lust auf Fleisch bedeuten – fürs Klima, die Biodiversität und vor allem für die Tiere – und wir zeigen mögliche Alternativen”, sagt der Baden-Badener Filmemacher. “Offen bleibt, ob sich Technologien entwickeln lassen, um in großen Mengen und damit kommerziell lohnend Fleisch im Bioreaktor zu erzeugen.” Im Anschluss an Dokumentation diskutiert um 21.00 Uhr Gert Scobel das Thema in “scobel – Kulturkampf ums Essen” mit seinen Gästen.