In der Meldestelle der Evangelischen Kirche im Rheinland für Fälle sexualisierter Gewalt sind von 2021 bis Ende 2024 insgesamt 124 Meldungen eingegangen. „Diese Meldungen sind teilweise auch Altmeldungen“, sagte der rheinische Vizepräses Christoph Pistorius am Dienstag in Saarbrücken. Das seien Fälle, bei denen Menschen sich nach Jahren in der Lage sehen, „über das zu sprechen, was sie Jahrzehnte ihres Lebens lang belastet hat“. Aber es gebe seit Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie im Januar 2024 auch „neue Meldungen von neuen Vorgängen“, unterstrich er. Jeder Fall sei „bedrückend und ein Fall zu viel“.
In 33 der 124 auf landeskirchlicher Ebene gemeldeten Fälle seien die Beschuldigten Theologen, erläuterte Pistorius. Den an der ForuM-Studie beteiligten Wissenschaftlern hatte die rheinische Kirche nach dem damaligen Kenntnisstand 70 Fälle sexualisierter Gewalt gemeldet. Damals und nach der Veröffentlichung sei klar gewesen, „dass wir noch mehr Energie reinstecken müssen in Prävention, Intervention und Aufarbeitung“, betonte der evangelische Theologe. „Wir haben deshalb als Erstes strukturell die Stabsstelle neu aufgestellt.“ Unter dem neuen Namen Prävention, Intervention und Aufarbeitung (Pia) seien die Bereiche Interventionsmanagement und Aufarbeitung verstärkt worden. Leiterin ist die Kriminologin Katja Gillhausen.
„Wir haben Vorbereitungen getroffen, dass im März die unabhängige regionale Aufarbeitungskommission für die rheinische, die westfälische und die lippische Landeskirche sowie die uns verbindende gemeinsame Diakonie dann auch ihre Arbeit aufnehmen kann“, erläuterte Pistorius. So hätte die rheinische Kirche Staatsanwältinnen und Staatsanwälte über genehmigte Nebentätigkeiten beauftragt, bekannte und neu aufkommende Fälle aufzuarbeiten. Sie sollen demnach Materialien zusammentragen und die Fälle rechtlich würdigen.
Finanzielle Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids wurden den Angaben zufolge bisher 40 Betroffenen mit einer Gesamthöhe von 725.000 Euro bewilligt. Hinzu kämen 139 weitere Betroffene im rheinischen Gebiet der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Diese finanzielle Leistung entspricht insgesamt rund 2,2 Millionen Euro.
Bisher hätten laut Pistorius über 20.000 Mitarbeitende an Präventionsschulungen teilgenommen. Er räumte ein, dass die Beschäftigung mit dem Thema nicht überall in der Kirche „ungeteilten Widerhall“ finde. „In der Tat ist die Beschäftigung mit dem Thema schmerzhaft, anstrengend und unangenehm.“ Die rheinische Kirche sei allerdings den Betroffenen und auch der eigenen Glaubwürdigkeit schuldig, sich ernsthaft, ehrlich und aufrichtig mit dem Thema zu beschäftigen. Deswegen werde es auch noch weitere eigene Studien geben, etwa zu allen evangelischen Internaten und Schülerheimen, die es gegeben habe.