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Zwischen Ruhm und Ironie

Die Helden der biblischen Geschichten waren Krieger, Kämpfer, tapfere Soldaten. Und David? Jesus von Nazareth? Die wurden zu Helden gemacht. Heldentum ist Ansichtssache

Wer suchet, der findet Helden in der Bibel. Auf dem Materialmarkt sind Andachten, Comic-Hefte – sogar ein Musical wirbt mit einem heldenhaften Titel. Denn in Andrew Lloyd Webbers Bühnenwerk aus den 70er Jahren wird Jesus zu „Jesus Christ Superstar“. Und ist das nicht ein Held? So möchten ihn Jesu Freunde auf der Theaterbühne nach dem Textbuch sehen. Und wer weiß, vielleicht sehnten sich die Jünger im Israel vor 2000 Jahren auch nach einem Helden. Aber wer im Neuen Testament blättert, findet die Worte „Held“ und „Jesus“ nicht in einem gemeinsamen Abschnitt.
Der Leser schafft sich seine Helden – zum Beispiel die Jünger. Ließen sie doch in der Nachfolge alles hinter sich – ganz im Sinne moderner Aussteiger, die ihr Glück am anderen Ende der Welt suchen. Tapfer, scheinbar ohne mit der Wimper zu zucken, schreitet zum Beispiel Petrus über das Wasser – und sinkt doch. Der entschlossene Fels unter den Jüngern, Petrus heißt zu deutsch Felsstein, schläft in der Stunde im Garten Gethsemane. Zum Wachen und Beten, um das ihn sein Herr Jesus angesichts seines nahenden Todes bittet, kommt der stolze Jünger nicht in seinem Schlaf.
Im Alten Testament tummeln sich einige Helden. Im Hebräischen ist das Wort „Held“ mit Adjektiven verwandt, die als „stark“, oder „gewaltig“ übersetzt werden. Geübte Krieger und Berufssoldaten wurden „Held“ genannt, beispielsweise im zweiten Buch Samuel. Hier wird von den kriegerischen Erfolgen dreier Helden berichtet: 800 Menschen habe einer der Krieger Davids mit seinem Spieß umgebracht.
Apropos David: Sein Kampf gegen Goliath, der schmächtige Hirtenjunge gegen den Riesen aus Gat – war das nicht der Kampf eines Helden? Der zukünftige König David besiegte seinen ungleichen Gegner mit einer Steinschleuder. Der Stein traf den Riesen an die Stirn. Anschließend köpfte David Goliath mit dessen eigenen Schwert. Der hebräische Begriff für „Held“ fällt hier jedoch nicht. Wie Jesus wurde David zum Helden der Leser, Deuter und Interpreten.
Auch Simson, zu deutsch: der Starke, gehört zu den biblischen Helden. Seine Kraft steckt in den Haaren. Er zerreißt einen Löwen und kämpft, so steht es im Richterbuch, mit Rätseln gegen die feindlichen Philister. Am Ende der tragischen Geschichte werden ihm die Haare abrasiert, die Kraft geht verloren, Simson ist ein gebrochener Held.
Judith, Esther, die starken Frauen unseres Alten Testaments sind auch Heldinnen im Judentum. Die eine ermordet den barbarischen König Holofernes, die andere setzt sich für den Widerstand ihres Volkes Israel ein. Das Purimfest erinnert im jüdischen Festkalender an ihren Einfluss, der zur Befreiung des Volkes führte.
Auch Gott ist ein Held. Oder sein Gesandter, der Messias. Die Propheten kündigen sein Kommen so an: „Der Herr zieht aus wie ein Held, wie ein Kriegsmann kommt er, zieht aus wie ein Held wider seine Feinde“, heißt es im Trostbuch Jesajas im 42. Kapitel nach der Lutherübersetzung. Gott, der Held, der Kämpfer.
Krieger? Soldaten? Kämpfer? Helden? Die hatten nicht immer einen guten Ruf. „Weh denen, die Helden sind, Wein zu saufen, und wackere Männer, Rauschtrank zu mischen“, steht im 5. Kapitel des Jesajabuches. Der Prophet bewies seinen Humor und Ironie. Helden? Die Trinker. Welch zweifelhafte Tapferkeit.