Schwesing. Zu den vielen kleinen und größeren Schätzen, die die alte Feldsteinkirche von Schwesing im Kreis Nordfriesland beherbergt, gehört eine Sammlung von 21 Emporenbildern des „Friesenmalers“ Carl Ludwig Jessen. Es lohnt sich, die Bilder genauer zu betrachten. Sie sind etwa 30 mal 60 Zentimeter groß und zeigen biblische Figuren. Sie posieren vor zart gestrichelten Landschaften mit klarblauen Himmel, mit üppigem Faltenwurf der Gewänder. Oftmals sind den Figuren Symbole beigesellt: Johannes der Täufer mit dem Lämmchen, Lukas mit dem Ochsen.
Carl Ludwig Jessen (1833-1917) hatte an der unteren Kante der Empore im Jahre 1887 in Öl auf Holz diese Bilder gemalt. Sie stellen Jesus, Maria und Josef dar, die vier Apostel, die Jünger und die Propheten. „Wahrscheinlich war es eine Auftragsarbeit, mit der Jessen sein Brot verdiente. Es ist zu vermuten, dass er auf einer Leiter stehend die Bilder direkt auf das Holz malte“, sagt Pastor Jürgen Kaphengst. „Es mag sein, dass heutzutage der eine oder andere diese Bilder als ‚naive Malerei‘ einstuft. Für unsere Kirche jedoch sind sie von großem Wert.“
Emporenbilder verschwanden nach Renovierung der Kirche
Der Künstler Carl Ludwig Jessen bekam in den 1880er-Jahren Aufträge von verschiedenen Kirchengemeinden aus Nordfriesland. Er restaurierte Altäre und malte zahlreiche Emporenbilder mit den Darstellungen von Aposteln und Evangelisten. Die Bilder, die in Schwesing entstanden, zierten bis in die 1960er-Jahre die Empore – bis die Kirche renoviert und die Empore abgerissen wurde. Glücklicherweise war man bei den Renovierungsarbeiten so umsichtig, die Bilder zu „retten“ und aufzubewahren. Einige von ihnen fanden den Weg in die Sakristei. Hier zierten sie seitdem die Front einer Schrankwand und entzogen sich somit dem bewundernden Blick der Öffentlichkeit.
Ein anderer Teil der Gemälde wanderte in den Keller des Pastorats. Zwei Bilder, nämlich die von Maria und Josef, waren allerdings jahrelang verschollen. Doch beide sind wieder „auf verschlungenen Pfaden“ in den Schoß „ihrer“ Kirche zurückgekehrt. Für Pastor Jürgen Kaphengst, seit 27 Jahren in Schwesing im Amt, waren dies „sehr bewegende Momente“.
Als im Jahre 2007 der Schwesinger Posaunenchor sein 50-jähriges Jubiläum feierte, machte Timm Lohse der Kirchengemeinde anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten ein Geschenk. Der Sohn von Pastor Christian Lohse, jener, der die Renovierungsarbeiten in den 1960er-Jahren begleitet hatte, brachte aus dem Nachlass seines Vaters das Emporenbild der Maria zurück.
Josef, der Zimmermann blieb, verschollen
Erst Ende des vergangenen Jahres tauchte das Bild von Josef, der Zimmermann, wieder auf: „Bei einer Andacht des Kirchengemeinderats erzählte unser Mitglied Christian Gennermann von seiner besonderen Liebe zur Weihnachtsgeschichte, holte dabei das letzte, fehlende Emporenbild hervor und brachte es somit der Kirche zurück“, erinnert sich Pastor Jürgen Kaphengst. Großvater Gennermann, Sargtischler und Bestatter aus dem Nachbarort Wester-Ohrstedt, war kürzlich verstorben; bei Aufräumarbeiten war das Bild des Josef, ausgestattet mit Säge und Winkelmesser, wieder aufgetaucht. In irgendeinem verborgenen Winkel hatte dieses Bild jahrzehntelang, von aller Welt völlig vergessen, geruht.
Im Jahre 2000 erhielt die Kirche eine neue Orgel. Dies wurde zum Anlass genommen, sechs der Bilder – frisch zurechtgemacht von der Restauratorin Susanne Gerlach – an der Orgelempore anzubringen. Die Farben leuchten dem Betrachter entgegen – im Gegensatz zu jenen in der Sakristei: Diese Bilder wirken ein wenig müde, im Laufe der Zeit blass geworden. „Vielleicht gelingt es, irgendwann auch diese Gemälde restaurieren zu lassen“, hofft Pastor Kaphengst.
Weitere Bilder – darunter die beiden „Spätheimkehrer“ Maria und Josef – werden noch sorgfältig im Pastorat gehütet. „Wir sind froh und dankbar, dass die Sammlung wieder vollständig ist“, bekräftigt Pastor Kaphengst. Dennoch: Die „Familie“ der Apostel und Propheten, die Jessen einst in der Schwesinger Kirche schuf, ist immer noch nicht „so richtig“ vereint: „Mein großer, stiller Wunsch ist es, alle Bilder wieder in der Kirche aufhängen zu dürfen – und vielleicht auch restaurieren zu lassen“, sagt er.