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ZDF-Krimi um den Anwalt Joachim Vernau

Der Berliner Anwalt Vernau macht sich auf den Weg nach Polen, wo seine frühere Kollegin unter Mordverdacht steht. Dort bekommt er es mit einem Kriminalfall zu tun, der tief in die deutsch-polnische Geschichte reicht.

“Polnisches Know-how, deutsches Geld – und alle kriegen, was sie wollen!” So fasst Joachim Vernau einmal sarkastisch die Gemengelage seines aktuellen Falles zusammen. Der Berliner Anwalt, der gerne selbst ermittelt und den seine Recherchen nicht nur häufig in die Vergangenheit, sondern auch ins Ausland führen, ist diesmal in Polen unterwegs. Seine frühere Kanzlei-Partnerin Marie Luise Hoffmann steht dort unter Mordverdacht: Kurz zuvor war sie in einer verlassenen Kapelle neben einem gewaltsam zu Tode Gekommenen aufgewacht, mit großen Lücken in ihrer Erinnerung. Vernau hilft ihr bei der Flucht nach Deutschland – und versucht, herauszufinden, was in jener Nacht geschah.

Dazu muss er tief in die deutsch-polnische Geschichte hinabsteigen in dem Kriminalfilm “Versunkene Gräber”, den das ZDF am Montag, den 27. November von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt. Es ist die mittlerweile achte Romanverfilmung rund um die von der Autorin Elisabeth Herrmann erfundene Figur, erneut dargestellt von Jan Josef Liefers. Der beliebte Schauspieler dürfte ein nicht unwesentlicher Faktor für die Popularität der in unregelmäßigen Abständen ausgestrahlten ZDF-Reihe sein.

Die Vernau-Filme erreichen oft gute bis sehr gute Quoten, was angesichts ihrer häufig eher durchschnittlichen Qualität überraschen mag. Auch der aktuelle Fall ist leider kein großer Wurf, überladen mit Figuren, Handlungssträngen und Sprüngen zwischen den verschiedenen Zeitebenen, dazu einigermaßen unpräzise erzählt und inszeniert. Einzelne Szenen freilich sind durchaus gelungen, etwa die von leiser Irritation geprägte Vernehmung der Witwe des Ermordeten. Oder auch sämtliche Auftritte von Vernaus Wegbegleiterin “Hütchen” und deren Freund Kurti beziehungsweise deren Darstellern Carmen-Maja Antoni und Winfried Glatzeder – diese zwei alten Haudegen der Schauspielkunst sind einfach eine Schau.

Deutlich schwächer fallen die Passagen aus, die in den letzten Tagen und Wochen des Zweiten Weltkriegs spielen. Die durch einen nostalgischen Patina-Filter fotografierten Protagonisten wirken verkleidet, äußerlich – auch, weil deren psychologische Zeichnung zu wünschen übrig lässt. Selbst sprechen und agieren dürfen diese Figuren kaum, werden vor allem herangezogen, um den Inhalt überlieferter Briefe zu illustrieren. Dementsprechend blass und flach erscheinen die entsprechenden Sequenzen. Da diese jedoch den Kern der verwickelten Krimihandlung bilden, hat auch die “heutige” Erzählebene ein Problem, lässt es an innerer Notwendigkeit und Spannung missen.

Geografisches Zentrum der Story ist ein idyllisch gelegenes Weingut im heutigen Polen, zu dem auch die Kapelle gehört, in der der Deutsche Horst Schwertfeger ums Leben kam. Er hatte versucht, gegenüber dem dort lebenden Großvater-Enkel-Gespann Marek und Jacek Jankowski alte Ansprüche seiner eigenen Familie, den von Hagens, durchzusetzen. Marek war einst deren Stallbursche gewesen, bis diese vor der anrückenden Roten Armee fliehen mussten. Nur Walther von Hagen ließ sich, um bei seinen wertvollen Weinvorräten bleiben zu können, von Mareks Schwester Magda verstecken. Durch einen Verrat eskalierte die Situation…

Jahrzehnte später nun sind viele, allzu viele Figuren in den Fall verwickelt: eine polnische Juristin, mehrere noch lebende von Hagens, ein zwielichtiger Anwalt und Investor, Marie Luise, die eine Affäre mit Jacek verbindet, Hütchen und Kurti, die als Spione in ein Luxus-Altenheim eingeschleust werden, und natürlich Vernau selbst. Zu viele Protagonisten, für deren Innenleben und Motivation denn auch kaum Raum bleibt.

Drehbuchautor und Regisseur Josef Rusnak setzt stattdessen auf grobere Striche: etwa den dick aufgetragenen Thriller-Einstieg in den Film, eine nahezu durchgehende musikalische Untermalung und viele Erklär-Dialoge gegen Ende. Schade, denn die hier lediglich am Rande aufgeworfene Frage – kann es nach Krieg und Vertreibung so etwas wie Gerechtigkeit geben? – hätte mehr Vertiefung und Interesse verdient.