Besonders junge Menschen und Senioren sind betroffen: Immer mehr Menschen in Deutschland geraten in die Schuldenfalle. Caritas und Diakonie dringen auf neue Wege der Hilfe.
Nach sechs Jahren des Rückgangs nimmt die Zahl überschuldeter Menschen in Deutschland Experten zufolge wieder spürbar zu. Laut dem am Freitag veröffentlichten “Schuldneratlas” der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gelten derzeit 5,67 Millionen Erwachsene als überschuldet – rund 111.000 mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem Anstieg um zwei Prozent. Der Anteil der überschuldeten Erwachsenen an der Bevölkerung stieg von 8,09 Prozent im vergangenen Jahr auf 8,16 Prozent. Das sei der erste Zuwachs seit 2018.
Als Ursache nannte das Unternehmen vor allem die vielen Krisen der vergangenen Jahre, wie die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. In der Folge seien die Lebenshaltungskosten gestiegen. Viele Menschen hätten ihre finanziellen Puffer in den vergangenen Jahren aufgebraucht, sagte der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, Patrik-Ludwig Hantzsch.
Der Deutsche Caritasverband forderte angesichts der Entwicklung eine bessere finanzielle Ausstattung sozialer Schuldnerberatungsstellen. “Wir dürfen diese Menschen nicht im Regen stehen lassen”, sagte Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. Verschuldung betreffe häufig die gesamte Familie und führe zu erheblichen psychosozialen Belastungen. In rund zwei Dritteln der Beratungsstellen sei die Nachfrage zuletzt um zehn bis 30 Prozent gestiegen.
Große Sorge bereiten der Caritas die steigenden Überschuldungszahlen bei jungen Menschen, die häufig durch Ratenkauf- und “Buy-now-pay-later”-Modelle in Schwierigkeiten geraten.
Die Diakonie verwies insbesondere auf die Lage überschuldeter Senioren. Viele nähmen aus Scham oder fehlenden Zugängen keine Beratung in Anspruch, erklärte Diakonie-Bundesvorständin Elke Ronneberger. Ein Modellprojekt zur aufsuchenden sozialen Schuldnerberatung zeige jedoch, dass Hausbesuche und Beratungsangebote in vertrauten Umgebungen Zugangsbarrieren deutlich senkten. Die Diakonie fordert eine dauerhafte Finanzierung solcher Ansätze.
Parallel will der Bundestag am Freitag ein neues Gesetz verabschieden, das eine EU-Richtlinie zur Schuldnerberatung umsetzen soll. Der Entwurf sieht vor, dass Angebote grundsätzlich kostenfrei bleiben und die Unabhängigkeit der Beratung gesetzlich gesichert wird. Zudem soll der Bund künftig jährlich erfassen, wie viele Beratungsstellen es gibt. Bundesweit existieren laut Justizministerium derzeit fast 1.400 Schuldnerberatungsstellen von Kommunen und gemeinnützigen Trägern.
Creditreform ist ein Wirtschaftsauskunftei- und Inkassounternehmen mit Sitz in Neuss. Es sammelt und analysiert Bonitätsdaten von Privatpersonen und Unternehmen und veröffentlicht jährlich den “Schuldneratlas Deutschland”. Als überschuldet gelten demnach Menschen, deren Ausgaben dauerhaft höher sind als die Einnahmen und die weder Rücklagen noch Kreditspielräume haben.
Für 2026 erwarten die Experten eine Fortsetzung des negativen Trends. Steigende Zinsen, hohe Kosten und ein schwächerer Arbeitsmarkt könnten die Lage weiter verschärfen.