Der Mitgliederschwund der Kirchen in Deutschland könnte sich noch weiter beschleunigen. Einer neuen Untersuchung zufolge dürfte die bis zum Jahr 2060 vorhergesagte Halbierung der Mitgliederzahl tatsächlich bereits in den 2040er Jahren erreicht werden. Und diese Dynamik könne sich “bei der katholischen Kirche gegebenenfalls sogar noch schneller vollziehen”, heißt es in der am Dienstag in Ulm vorgestellten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU).
2019 hatte eine Studie der Uni Freiburg berechnet, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland 2060 nur noch rund 22,7 Millionen Mitglieder haben dürften und damit etwa halb so viele wie 2017 (44,8 Millionen).
In der neuen Untersuchung, an der sich erstmals auch die katholische Kirche beteiligte, werden 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen “Noch-Mitglieder” als “austrittsgeneigt” eingestuft. Drei Viertel der Katholiken und zwei Drittel der Protestanten sagten, sie würden einen Kirchenaustritt nicht ausschließen.
Insgesamt zeigt die KMU, dass die religiöse Bindung und das Vertrauen der Menschen in die Kirchen weiter abnehmen. Für fast 8 von 10 der insgesamt 5.282 Befragten hat Religion überhaupt keine (38 Prozent) oder nur wenig (40 Prozent) Bedeutung. Selbst unter den Kirchenmitgliedern verstehen sich nur noch 4 (katholisch) und 6 Prozent (evangelisch) als gläubig und kirchennah. Immerhin 36 (33) Prozent sagten: “Ich fühle mich der Kirche verbunden, auch wenn ich ihr in vielen Dingen kritisch gegenüberstehe.”
9 Prozent aller Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche, bei der evangelischen Kirche waren es 24 Prozent. Das Vertrauen zur katholischen Kirche ist dabei nur unwesentlich größer als das zum Islam.
Die Studie zeigt aber auch, dass die Menschen nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen eingestellt sind, sondern sich Reformen wünschen. Unter anderem sagten 96 Prozent der katholischen und 80 Prozent der evangelischen Mitglieder, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle.
Was noch auffällt: Das gesellschaftliche Engagement unter religiösen und kirchennahen Menschen ist deutlich höher als im Rest der Gesellschaft. So berichteten 49 Prozent der Katholiken und 46 Prozent der Protestanten, aber nur 33 Prozent der Konfessionslosen von ehrenamtlichen Tätigkeiten im vergangenen Jahr.
Die Kirchen befinden sich insgesamt in einer großen Krise. 2022 waren erstmals nur noch weniger als die Hälfte der Bundesbürger Mitglieder. Die Zahl der Austritte erreichte ein neues Rekordhoch – auch wegen der Missbrauchsfälle und anderer Skandale.