Song-lastiger Liebesfilm um einen Straßenmusiker, der nach einem globalen Stromausfall scheinbar der einzige ist, der sich an die Hits der Beatles erinnert – und dies nutzt, um Weltruhm zu erlangen.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Jack Malik (Himesh Patel) ist nicht gerade ein Überflieger: Mit seiner Musikkarriere will es nicht recht voran gehen, er schlägt sich mehr schlecht als recht als Straßenmusiker durch – bis zu diesem seltsamen globalen Stromausfall. Der scheint zwar auf den ersten Blick keine gravierenden Folgen zu haben, doch bald stößt Jack auf ein mysteriöses Phänomen: Im Zuge des Blackouts scheint die Kult-Band schlechthin, die Beatles, aus dem kollektiven Gedächtnis sämtlicher Erdenbürger getilgt, nur nicht aus dem von Jack.
Dass er der Einzige ist, der sich an die Songs von John Lennon, Paul McCartney und Co. erinnert, eröffnet dem Musiker freilich ungeahnte Chancen: Was, wenn er selbst nun mit diesen Songs auftritt und sie als seine eigenen ausgibt?
Danny Boyles Film aus dem Jahr 2019 ist vor allem eine Hommage an die bleibende Kraft der Beatles-Songs, die neben Himesh Patel und Lily James als Managerin und sein “love interest” sozusagen die dritte Hauptrolle spielen. Darum herum spinnen Boyle und Drehbuchautor Richard Curtis eine Geschichte, die zwar bis auf einige Seitenhiebe aufs Musikgeschäft nicht übermäßig viel Biss, als Feel-Good-Film für Beatles-Fans und alle, die es werden möchten, aber doch ihren Charme hat.
“Yesterday, all my troubles seemed so far away. Now it looks as though they’re here to stay…” – melancholisch klimpert Jack Malik auf der neuen Gitarre, die ihm seine erstaunt lauschenden Freunde gerade geschenkt haben. Zum Trost, denn der erfolglose Straßenmusiker hatte einen schweren Zusammenstoß mit einem Linienbus erlitten. Ausgerechnet während eines globalen Stromausfalls, der Jack zum Glück nur die Vorderzähne kostete.
Den anderen Erdenbürgern scheint der Blackout dagegen kräftig im kollektiven Gedächtnis rumradiert zu haben. Denn die Freunde sind von dem vermeintlich selbst komponierten Song begeistert. “Das ist Yesterday von den Beatles… einer der größten Songs aller Zeiten!”, entgegnet ihnen Jack. Doch: “Wer sind eigentlich die Beatles?”
Entsetzt beginnt Jack, im Internet nachzuforschen: Die Suche nach “Beatles” ergibt den Käfer Beetle. Die Recherche nach den Bandmitgliedern führt zum Wikipedia-Eintrag von Papst John (Johannes) Paul II. Ohne die Pilzköpfe als Werbeträger gab es weder Coca Cola noch die Britpop-Band Oasis, was in dem Film “Yesterday” einer von vielen gewitzten Seitenhieben auf eine Pop- und Kulturgeschichte ist, die sich in der Zitatenhölle immer wieder aus sich selbst heraus gebiert.
Mit dieser Frage nach den “Beatles” sieht sich Jack nun selbst konfrontiert: Soll er die Songs der augenscheinlich in Vergessenheit geratenen Bands klauen und als Genie die Welt erobern? Oder lieber ehrlich in der Versenkung des musikalischen Niemandslandes verharren? Mit gelegentlichen Highlights, wenn ihm seine Managerin Ellie einen Festivalauftritt besorgt hat – zur Mittagszeit auf einer Nebenbühne, vor einer Gruppe spielender Kinder.
Der Song vom sorgenfreien “Gestern” könnte also unzutreffender nicht sein, schließlich sind Jacks Probleme eigentlich von vorgestern. Doch jetzt scheint der Musiker aus Leidenschaft ausgesorgt zu haben, wenngleich er sich mit fremden Federn schmückt. Ein junger Studiobesitzer wird auf “seine” Songs aufmerksam, das Lokalfernsehen klopft an. Plötzlich steht sogar der Popstar Ed Sheeran in der Küche, um den “Geheimtipp” als Vorband für ein Konzert zu engagieren. Im Nu ist Jack der hochgelobte neue Stern am Pop-Himmel, der umso tiefer zu fallen droht, als ihm das Schicksal erneut einen Strich durch die Rechnung zu machen scheint.
Regisseur Danny Boyle erzählt in dem Hit-lastigen Liebesfilm ein sehr ähnliches Underdog-Märchen wie in “Slumdog Millionär”. Hier ist es Jack, der ein Glückslos zieht, das Ruhm und Reichtum verspricht, ehe er erkennt, dass allein die Liebe zum wahren Glück führt. Dass die erzählerische Prämisse einer (Musik-)Welt ohne die Band, die diese so eindringlich geprägt hat, zunächst unglaublich unterhaltsam ist, verdankt “Yesterday” auch den für mehrere Millionen Pfund eingekauften Musiklizenzen.
Herrlich hemdsärmelig jubelt Jack die größten Welthits seiner unwissentlich ignoranten Zuhörerschaft unter. Durch den Einfluss geldgieriger Produzenten droht dann aus “Hey Jude” schon mal ein “Hey Dude” zu werden.
“Yesterday” wartet mit vielen nostalgischen Wiedererkennungsmomenten und einem bissigen Kommentar auf die digitalisierte Vermarktungsmaschinerie des Musikgeschäfts auf. Beides kann aber nicht verhehlen, dass der Film einen recht konventionellen Weg einschlägt. So wird die Annäherung von Jack und Ellie ständig durch beliebige Störfaktoren unterbrochen.
Die Cameo-Auftritte von Ed Sheeran mögen für prächtige Stadien-Aufnahmen und ein größeres Zielpublikum sorgen. Dessen massenkompatible Songs unterstreichen aber vor allem im Vergleich mit den Beatles-Hits, wie es heute um die Pop-Industrie bestellt ist. Ob das beabsichtigt war, sei dahingestellt. Zumal neben dem Wohlfühlanspruch dem Ausnahmephänomen der Beatles-Songs kaum nachgespürt wird.