Als erstes Bundesland hatte Thüringen im Jahre 1993 die Behörde eines Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur geschaffen. Am Donnerstag blickt der aktuelle Landesbeauftragte Peter Wurschi im Rahmen eines Festakts auf die jahrzehntelange Arbeit seiner Behörde zurück. Die Aufgaben hätten sich verändert, sagt Wurschi im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch die Aufarbeitung benötige weiterhin ihre Zeit.
epd: 30 Jahre Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Wie wichtig ist das Amt heute noch?
Wurschi: Die Beschäftigung mit sehr persönlichen, zum Teil traumatischen Erfahrungen aus der Zeit der SED-Diktatur braucht seine Zeit. Mehr als 1.000 Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern jährlich, zunehmend auch aus den westlichen Bundesländern. Das zeigt auf, wie nachgefragt die Arbeit des Landesbeauftragten auch heute noch ist.
epd: Inwieweit haben sich die Schwerpunkte Ihrer Behörde in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert?
Wurschi: Waren die ersten Jahre vorwiegend von Hilfen bei den Überprüfungen im öffentlichen Dienst geprägt, rückten mit der Zeit immer mehr die individuellen Schicksale der Betroffen in den Vordergrund. Sie schöpften Mut, ihre Schicksale zu erzählen und ringen um die ihnen zustehende gesellschaftliche Anerkennung. Sie dabei zu unterstützen, ihnen Beratung anzubieten und für mehr soziale Teilhabe, beispielsweise über den Härtefallfonds zu sorgen, ist heute mehr denn je Aufgabe der Behörde.
epd: Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre?
Wurschi: Die Wahrnehmung der Betroffenen kollidiert häufig mit dem Anspruch der ostdeutschen Mehrheitsgesellschaft, sich ebenfalls als Opfer zu sehen. Wenn jedoch alle Ostdeutschen Opfer waren, ist für die tatsächlichen Opfer der SED-Diktatur kein Platz für ihr Schicksal. Hier Kommunikationsräume zu schaffen, bleibt Zukunftsaufgabe. Genauso wie die Etablierung des beraterischen Wissens des Landesbeauftragten in die Bereiche von Pflege, Heimen und Verwaltung. Die Betroffenen der SED-Diktatur werden älter, ihre Erfahrungen mit erzieherischen und staatlichen Institutionen zu DDR-Zeiten sollten in heutigen Institutionen berücksichtigt werden. Dazu bedarf es Aufklärung.