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„Wir wollen eine offene Bürgerkirche für alle Menschen sein“

Drei Jahre dauerte der Umbau der St.-Johannnis-Kirche in Göttingen. Nun startet die Gemeinde mit der Reihe „Aufbrüche“ in die neue Kulturkirchensaison.

Freundlich und hell erstrahlt die St.-Johannis-Kirche in der Göttinger Innenstadt nach dem dreijährigen Umbau.
Freundlich und hell erstrahlt die St.-Johannis-Kirche in der Göttinger Innenstadt nach dem dreijährigen Umbau.epd/Katrin Benary

Göttingen. Sie ist ein mächtiger gotischer Bau: Die St.-Johannis-Kirche prägt die Göttinger Altstadt. Mit ihren weithin sichtbaren Türmen ist die Kirche eines der Wahrzeichen der Universitätsstadt. St. Johannis im Herzen der Stadt ist ein Ort, der vom Glauben erzählt, in dem Gottesdienste gefeiert werden und Gemeindeleben stattfindet – und in dem bereits jetzt die Kirchenmusik eine große Rolle spielt. Doch nun geht die Gemeinde neue Wege – und interpretiert ihren Auftrag als Rats- und Marktkirche neu: St. Johannis wird zur Kulturkirche oder besser: „Wir wollen eine offene Bürgerkirche für alle Menschen sein“, beschreibt Pastor Gerhard Schridde.

Begegnung von Kirche und Theologie mit zeitgenössischer Kunst

Dazu bietet das Gotteshaus nach dem nun abgeschlossenen Umbau künftig neben der Göttinger Stadtkantorei und dem Posaunenchor auch anderen Kulturschaffenden eine Bühne. Außerdem will die Kirche Raum für gesellschaftlichen Diskurs und vielfältige Begegnungen sein. Die Hanns-Lilje-Stiftung fördert diese Idee und hat St. Johannis für vier Jahre als Kulturkirche eingestuft, um die Begegnung von Kirche und Theologie mit zeitgenössischer Kunst zu fördern.

Gerhard Schridde erinnert sich noch genau, wie diese Idee langsam Gestalt annahm – und sich in den Umbauplänen niederschlug. 2013 war das, der Pastor war gerade frisch nach Göttingen gekommen – und für St. Johannis stand nach gut 50 Jahren eine Sanierung an. Nachdem 2005 bereits die Turmrenovierung stattgefunden hatte, sollte nun der Innenraum an die Reihe kommen. „Da stellte sich grundsätzlich die Frage: Wie geht es weiter?“

Schnell war klar: Es sollte nicht einfach nur eine „Frischzellenkur“ werden: Neben der Instandsetzung ging es um ein neues Konzept mit dem Ziel einer „Öffnung der Kirche“. So soll ein neues, weitreichendes Angebot im Herzen der Göttinger Innenstadt entstehen, das auch zeigt, dass die Kirche nicht nur „exklusiv für den Gottesdienst“ da ist, sondern eine gesellschaftliche Funktion hat und sich positioniert. „St. Johannis bleibt Kirche, aber öffnet sich in einer säkularisierten Welt zur Stadtgesellschaft“, beschreibt Schridde.

Thementage „Aufbrüche“ starten am 24. März

So bietet das Gotteshaus inmitten des Trubels der Stadt einen spirituellen Raum für Stille, geistliche Einkehr, Gebet oder Meditation – geöffnet für die Bürger und Besucher der Stadt. Selbstverständlich bleibe die Kirche Gottesdienstraum, werde aber gleichzeitig auch Veranstaltungsort weit über die eigene Gemeinde hinaus. „In einer säkularisierten Welt müssen wir unsere Inhalte transportieren“, sagt Schridde. Es gehe darum, auch Menschen anzusprechen, die sonst keine oder nur wenig Verbindung zur Kirche hätten, und über die Kultur „Zugänge zur Kirche und zum Glauben zu bieten“.

Um das zu ermöglichen, hatten die Handwerker drei Jahre lang das Sagen. Das Cremeweiß von Wänden und Gewölbe sowie der Rotton der Säulen und Pfeiler gehen auf die historischen Ursprungsbefunde zurück. Ein neuer Boden aus Sandstein ersetzt das Parkett. Und um flexible Nutzungen zu ermöglichen, wurden Bänke im Hauptschiff durch Stühle ersetzt, die bei Bedarf hinter der Orgel verstaut werden können.

Am 1. Juli Premiere von Theaterstück „Johannes über dem Jordan“

Hinzu kamen eine professionelle Beleuchtungstechnik, eine Beschallungsanlage und Möglichkeiten, Technik wie ein Steuerpult anzuschließen. Bei all dem hat sich die Gemeinde bewusst nicht nach den Richtlinien für Kirchen gerichtet, sondern nach der deutlich aufwendigeren – und teureren – Versammlungsstättenverordnung. Denn das ermöglicht es, die Kirche auch für andere Veranstalter zu öffnen. Den Anfang sollte eigentlich im Januar das Theaterstück „Johannes über dem Jordan“ von Alexander Cern machen. Doch Corona machte der Aufführung von Laienschauspielern und Göttinger Stadtkantorei einen Strich durch die Rechnung, die Premiere soll nun am 1. Juli stattfinden.

Vorher soll es aber schon zahlreiche Veranstaltungen und Kooperationen zum Thema „Aufbrüche“ geben. Ein Programmkino zeigt „Der letzte Mann“, ein Kantoreikonzert ist ebenso geplant wie ein Gottesdienst, in dem Tanz eine Rolle spielt. „Aufbrüche, das sind auch Brüche. Das passt unglaublich vor dem Hintergrund von Corona, in dem auch Altes zu Bruch geht, aber auch Neues entsteht“, sagt Schridde.

Und so starteten die Thementage bereits am 24. März mit Kino und Orgel. Auf großer Leinwand in der Kirche  wurde der Stummfilmklassiker „Der letzte Mann“ von Friedrich Wilhelm Murnau gezeigt. Dazu improvisierte Kantor Bernd Eberhardt live Orgelmusik.

Weitere Infos zu Veranstaltungen der Kulturkirche gibt es auf https://johannis-goettingen.wir-e.de.