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Wie Jesus auf der Schlei

Wind, Wellen, Wetter – und Wunder: Die Bibel erzählt von den Fischern am See Genezareth. Wer etwas davon einmal ganz hautnah erleben möchte, kann im Jesusboot auf der Schlei mitsegeln.

Erfahrener Skipper: Pastor Michael Bruhn segelt seit zehn Jahren mit dem Jesusboot auf der Schlei.
Erfahrener Skipper: Pastor Michael Bruhn segelt seit zehn Jahren mit dem Jesusboot auf der Schlei.epd/Thorge Rühmann

Schleswig. „Wenn oben auf den Wellen kleine Gischtkämme sind, dann ist ungefähr Windstärke vier“, ruft der Mann an der Pinne. Michael Bruhn sitzt dort, Pastor im Bibelzentrum Schleswig und zugleich Skipper an Bord des Jesusboots „Ichtys“. Es fühlt sich tatsächlich eher danach an, durchs Meer zu pflügen als darüberzugleiten: Obwohl die Wellen auf dem Ostsee­fjord nicht mal einen halben Meter hoch sind, klatschen sie mit Wucht und in schöner Regelmäßigkeit an den Rumpf. Der massive Bugsteven durchschneidet sie, das Boot stampft voran.

Am Himmel hängen riesige Wolken, die mit dem frischen Wind schnell von West nach Ost vorbeiziehen. Durch die Lücken zwischen ihnen scheint die Sonne, taucht ein in die Schlei und färbt das Wasser mal hellgrün, mal blau, während wir mit Motorkraft vom Stadthafen, wo das Boot seinen Liegeplatz hat, zur Möweninsel vor Schleswig fahren. Möwengeschrei begleitet uns.

Auf Höhe der Insel bereiten wir das Segel vor

Ein großes rechteckiges Rahsegel, das quer zur Längsachse des Jesusboots vom Mast hängt und flattert und mit zwei Tauen an den unteren Ecken, den Schoten, gehalten wird. Dann steuert Bruhn in den Wind, macht den Motor aus – und wir segeln. In aller Stille. Mitten auf der Schlei. Es ist ein Moment voller Einfachheit und Urtümlichkeit: Wenn man ein wenig blinzelt und die Augen fast geschlossen sind, kann man fühlen, wie es damals auf dem See Genezareth gewesen sein mag.

In Wirklichkeit passieren wir gerade den Ort Haddeby, er liegt am Ufer gegenüber von Schleswig. Dort lag einmal die Wikingerstadt Haithabu: „Sie wurde von See aus nie eingenommen“, erklärt Bruhn beiläufig. Die Wikinger hatten entlang des 42 Kilometer langen Schleiufers mehrere Palisaden und Beobachtungsposten eingerichtet, die bei nahenden Feinden mit Signalen vor der Gefahr warnten. Das liegt mehr als 1000 Jahre in der Vergangenheit, aber noch immer haben Reste von Eichenpfählen, die die Wikinger in den Boden rammten, im brackigen Schleiwasser überdauert.

Ganz ähnlich wie das Schiffswrack, das 1987 am Ufer des Sees Genezareth entdeckt wurde – eine archäologische Sensation. Noch einmal springt der Pastor 1000 Jahre zurück, erzählt davon, welche Boote die Fischer nutzten zu der Zeit, als Jesus lebte. Im gleichen Typ Boot sitzen wir heute: Es ist der weltweit einzige schiffbare Nachbau des Wracks. Der Rumpf ist in „Kaweel“-Bauweise entstanden, bei der die Planken nicht überlappen, sondern die Kanten direkt aufeinanderliegen.

Der Dieselmotor tuckert ruhig unter Deck

Er ist eines der wenigen Dinge an Bord, die das moderne Jesusboot vom Original unterscheiden. „Wir haben auch zwei Ruderplätze mehr“, schildert Bruhn: Auf die Weise können sich gleichzeitig sechs statt vier Jugendliche in die Riemen legen, wenn der Wind von vorn kommt. Drei Tonnen Holz aus sibirischer Lärche sind verbaut, dazu kommen anderthalb Tonnen Steine. Sie liegen im Laderaum bis dicht unter das Deck. Ihr Zweck: das Schiff im Gleichgewicht halten. „Es hat ja keinen tiefen Kiel“, erklärt Bruhn: Gäbe es keinen Ballast, würde das Schiff bei höheren Wellen von der Seite schnell krängen oder sogar umkippen.

Warum die Jünger in Panik gerieten

Die „Ichtys“ ist ausgelegt für zwölf Menschen an Bord: elf Passagiere plus Skipper. „Normalerweise fahren 60 bis 80 Gruppen im Jahr mit uns“, so Bruhn. Vor allem sind das Konfirmanden, aber auch private Geburtstagsfeiern, Taufen und andere Feiern sind möglich.

Doch nicht immer ist die Schlei so friedlich wie jetzt, mit strahlender Sonne und Wind von achtern. Auch bei sechs bis acht Windstärken ist Bruhn mit den Jugendlichen noch unterwegs. Wenn der Wind von vorn kommt, wird das Boot auch schon einmal mit Muskelkraft bewegt, der Motor bleibt dann aus. „Interessanterweise sind die Mädchen beim Rudern oft ausdauernder als die Jungen“, sagt Bruhn: Während letztere sich gern an den Bug stellen und von der hochspritzenden Gischt nass werden, liefern sich die jungen Frauen teils eine Art Wettbewerb, um festzustellen, wer beim „Riemenpullen“ länger durchhält.

Bibelgeschichten hautnah erleben

„Bei schwerem Wetter merken die Jugendlichen, wie mächtig die Natur ist – und dass wir Menschen das nur aussitzen können“, sagt der Pastor. Genau darum geht es ihm: „Wenn die Jungen und Mädchen, die hier schon einmal mitgefahren sind, eine Bibelgeschichte hören oder lesen, dann haben sie eine ganz plastische Erinnerung daran, wie es an Bord wirklich war. Sie erleben Wind und Wetter und die Bibel, alles gleichzeitig – ein christliches Erlebnis pur!“

Schon oft habe er sich gefragt: Warum kriegen die Jünger Panik? Die Antwort fand Bruhn beim Segeln selbst heraus: „Das Boot schaukelt sich auf wie ein Stehaufmännchen, wenn Wind und Wellen von der Seite auf den Rumpf treffen. Es besteht die Gefahr, dass der Ballast verrutscht – dann würde das Boot kentern. Aus der Welle heraus zu rudern war der einzige Ausweg“, so der Pastor. Offenbar hätten die Jünger damals schon alles versucht – doch als die Situation immer bedrohlicher wurde, baten sie Jesus um Hilfe. „So etwas versteht man erst richtig, wenn man es selbst an Bord erlebt hat.“

Wer auf dem Jesusboot mitfahren will, kann sich bis Oktober im Bibelzentrum Schleswig per E-Mail an info@bibelzentrum.nordkirche.de sowie unter Telefon 04621/258 53 anmelden. Geöffnet ist es montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr sowie nach Absprache.