Sie soll bald bundesweit kommen: In Hamburg erhalten Asylbewerber bereits seit Februar eine Bezahlkarte statt Bargeld. Doch Betroffene klagen über Probleme.
Ein türkischer Handyladen im Hamburger Süden. Ein Schild an der Tür verrät, dass es hier Prepaid-Karten gibt. “Kann ich mit der SocialCard bezahlen?”, fragt Munir Safi auf Englisch und zeigt eine blau-grüne Visa-Karte, die er in seinem Portemonnaie trägt. Der Verkäufer schüttelt den Kopf. “Only cash”, sagt er. Im benachbarten Einkaufszentrum gebe es einen Geldautomaten.
Hamburg hatte im Februar als erstes Bundesland flächendeckend eine Bezahlkarte eingeführt, die Asylbewerber statt Bargeld erhalten. Die “SocialCard” ist eine Visa-Guthaben-Karte, die ohne Konto funktioniert. Monatlich 185 Euro überweist ddas Amt für Migration auf die Karte. Davon können 50 Euro an Geldautomaten oder in Supermärkten bar abgehoben werden.
Eingesetzt werden kann sie in allen Geschäften, die Kartenzahlung akzeptieren. Für Überweisungen und im Online-Handel kann sie hingegen nicht genutzt werden. So soll verhindert werden, dass Geld ins Ausland fließt.
In Hamburg wurden bislang gut 1.600 solcher Karten an Neuankömmlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgegeben. Es handelt sich zunächst um ein Pilotprojekt. Noch in diesem Jahr sollen ähnliche Bezahlkarten in allen Bundesländern eingeführt werden.
Munir Safi hat seine Karte im März erhalten. Der 31-jährige Syrer ist Anfang des Jahres nach Deutschland gekommen. Bei Supermarkt- und Drogerieketten, in Apotheken und in größeren Restaurants funktioniere die Karte gut, erzählt er. “Aber das sind nicht die Läden, in denen ich als Flüchtling vorwiegend einkaufe.” Bei einem Budget von 185 Euro im Monat versuche er eher, auf kostengünstige Geschäfte zu setzen. Doch in preiswerten Handyläden, bei kleinen Obst- und Gemüsehändlern oder bei Imbissen, die Spezialitäten aus seiner Heimat anbieten, werde meist keine Kartenzahlung akzeptiert. Manche verlangten einen Mindesteinkaufswert von 20 oder 30 Euro.
Barzahlung ist in vielen Fällen keine Alternative für ihn. Zum einen ließen sich nur maximal 50 Euro im Monat von der Karte abheben, so Safi. Zum anderen falle an vielen Geldautomaten eine Gebühr von 2 bis 3 Euro fürs Abheben an.
Malika Haidari, die die “SocialCard” im April bekommen hat, berichtet von ähnlichen Erfahrungen und empfindet die Karte als eine Stigmatisierung. “Die Leute schauen dich schräg an, wenn du versuchst, mit der Karte zu bezahlen”, sagt die 26-jährige Afghanin.
Laut der Initiative “Hamburg sagt Nein zur SocialCard”, einem losen Zusammenschluss von Einzelpersonen und Flüchtlingshilfeorganisationen, geht es vielen Neuankömmlingen so wie Safi und Haidari. “Günstig einkaufen ist mit der SocialCard nicht möglich”, sagt Sprecher Francis Suppelna. Dabei seien die 185 Euro so berechnet, dass gebrauchte Sachen gekauft würden. Für die Initiative ist die Karte daher diskriminierend und integrationsfeindlich.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Organisation Pro Asyl unterstützen aus denselben Gründen zwei Betroffene in Hamburg, die in Eilverfahren gegen die Bezahlkarte klagen. In anderen Bundesländern bereiten die Menschenrechtler Klagen vor.
Die Hamburger Landesregierung, der Senat, ist mit der Karte dagegen sehr zufrieden. Die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer der “SocialCard” sei gut, schreibt der Sprecher der Sozialbehörde, Wolfgang Arnhold, auf Anfrage per Mail. “Sie sind erleichtert, dass sie gleich etwas in der Hand haben und nicht erst einen Bescheid bekommen, mit dem sie zu einem anderen Ort, einer bezirklichen Kasse, gehen, warten müssen und erst dann Geld bekommen.” Das sei auch eine Entlastung für die Verwaltung.
Bislang hat es laut Arnhold bei den Hamburger Behörden nur elf Beschwerden zu der Karte gegeben, die eher technischer Natur sind. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt würden in die Beratungen auf Länderebene zur bundesweiten Bezahlkarte einfließen. Auf die Kritik, dass die Karte in vielen kostengünstigen Geschäften nicht akzeptiert wird und beim Abheben von Bargeld eine Gebühr anfällt, geht der Sprecher nicht näher ein.
Munir Safi würde sich zusätzlich zur Karte ein kostenloses Konto wünschen. “Das würde mehr Freiheit bieten.”