Die Evangelische Kirche von Westfalen steht vor einschneidenden Sparmaßnahmen, aber auch innovativen Reformen. Mit Blick auf die bis 2028 nötige Kürzung der jährlichen Ausgaben auf der landeskirchlichen Ebene forderte der Theologische Vizepräsident Ulf Schlüter am Mittwoch in Bielefeld, sich vom Behördendenken zu verabschieden. Die Synode der viertgrößten Landeskirche beschloss zum Abschluss ihres viertägigen Herbsttreffens, ein komplett neues Leitungsmodell für Kirchengemeinden zu erproben.
Weitere wichtige Themen waren die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, die Entwicklung des Pfarrdienstes und politische Fragen sowie die Nachfolge von Annette Kurschus. Die Theologin war wegen mangelnder Kommunikation im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Missbrauchsfall in ihrem Umfeld vor einem Jahr als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und westfälische Präses zurückgetreten, seither ist das Spitzenamt vakant. Wegen der Absage des einzigen Kandidaten war auf der Herbstsynode keine Präses-Wahl möglich war, soll nun auf einer Sondersynode am 29. März entschieden werden, wer die Nachfolge von Annette Kurschus antritt.
Schlüter sagte zu den kirchlichen Strukturen mit Blick auf das Landeskirchenamt in Bielefeld mit aktuell mehr als 300 Beschäftigten: „Wir werden wegkommen müssen von dem alten Bild einer großen Behörde, sozusagen ein Ministerium für die Kirche.“ In fünf Jahren müsse es in der westfälischen Kirche auch deutlich weniger als die bisherigen rund 500 Körperschaften geben. Auch die drei Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen müssten „sehr, sehr intensiv kooperieren“. Wenn es nach ihm ginge, sollte es zudem bundesweit weniger evangelische Landeskirchen geben: „Wenn wir in zehn Jahren noch 20 Landeskirchen haben, dann haben wir wirklich sehr viel falsch gemacht.“
Bei der Leitung der Kirchengemeinden will die westfälische Kirche auf dem Weg zu schlankeren Strukturen völlig neue Wege gehen: Die Gemeinden sollen nicht mehr nur von Presbyterien geleitet werden können, sondern alternativ auch von einer kleinen Gruppe von drei bis zehn Menschen. Bis zu zehn Prozent der 431 westfälischen Gemeinden können dieses Modell vom kommenden Jahr an ausprobieren, bis es möglicherweise dauerhaft und flächendeckend etabliert wird. Die Neuerung wird in Zeiten sinkender Mitgliederzahlen als Chance gesehen, Leitungsgremien zu verkleinern oder für mehrere Kirchengemeinden zusammenzulegen.
Weil es an theologischem Nachwuchs fehlt, sind Pfarrerinnen und Pfarrer der westfälischen Kirche künftig für deutlich mehr Kirchenmitglieder zuständig. Bislang ist eine Pfarrstelle für 3.000 Mitglieder vorgesehen, von 2026 bis 2030 muss eine Pfarrstelle 4.000 Gemeindemitglieder versorgen. Langfristig wird eine Gemeindegröße von 5.000 Mitgliedern vorgeschlagen. Nur dann könne es eine „ausgewogene und bedarfsorientierte Pfarrstellenbesetzung“ geben, hieß es.
Ein weiteres von der Synode beschlossenes Gesetz soll die Stimme junger Leute in kirchlichen Angelegenheiten stärken. Es räumt jungen Menschen das Recht ein, eine kirchliche Kinder- und Jugendvertretung in Gemeinden, Kirchenkreisen oder der Landeskirche zu gründen.
In einer Erklärung warnte das Kirchenparlament vor Einschränkungen des Asylrechts. Das Recht auf Asyl sowie internationale Vereinbarungen zum Schutz von Geflüchteten dürften weder gesellschaftlichen Stimmungen noch kurzfristigen parteipolitischen Interessen geopfert werden.
Entsetzt äußerte sich die Synode über das Ausmaß der Gewalt im Nahen Osten, insbesondere über die katastrophale humanitäre Notlage in Gaza. Mit Sorge werde der Zuwachs an antisemitischen, antiislamischen, antiisraelischen und antipalästinensischen Vorfällen in Deutschland beobachtet. Die Kirchen müssten „Räume für Frieden und Mitgefühl“ schaffen, in denen eine theologisch und politisch differenzierte Beschäftigung möglich sei.