Über mehrere Generationen hat Familie Scharf gesammelt. Unter den Werken sind Malereien von Eugène Delacroix, Francisco de Goya und Claude Monet. Diese Hochkaräter sind ab Freitag in Berlin zu sehen.
Viele grüne und gelbe Tupfer schmiegen sich an eine Badewanne. Deren Emaille ist nicht nur weiß, sondern bunt, so dass ihr Rand sich von der wie eine Wiese wirkenden Tupferlandschaft an manchen Stellen kaum abhebt. Darin liegt eine Frau, die nackt und nachdenklich ihren Blick in eine andere Richtung wirft – am Betrachter scheint sie kein Interesse zu haben. Manch ein Betrachter mag sich als Voyeur fühlen, denn ihr Busen und ihre Haare sind farblich besonders hervorgehoben.
Der Künstler ist der französische Post-Impressionist Pierre Bonnard (1867-1947), der in “Das Mädchen in der Badewanne” seine langjährige Geliebte malte. Die Arbeit des französischen Meisters ist nur eines von rund 150 Werken, die ab Freitag in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen sein werden.
Die Ausstellung “The Scharf Collection” selbst umfasst Werke unterschiedlicher Stilrichtungen; darunter die des Realismus, des Impressionismus, des Post-Impressionismus und auch zeitgenössische Kunst. Die Schau versammelt neben den Bildnissen von Bonnard auch Malereien und Skulpturen von Künstlergrößen wie Pierre-Auguste Renoir (1841-1919), Edgar Degas (1834-1917) und Claude Monet (1840-1926).
Zu Bonnards Badewanne sagt die Kuratorin Anette Hüsch: “An dem Stück kann man besonders gut erkennen, wie der Künstler mit Farbe umgegangen ist.” Die Farbe werde bei ihm selbst zu einem Motiv. Denn durch die unklaren Übergänge, etwa zwischen Körper und Wasser, sei gar nicht erkennbar, wo das eine und wo das andere aufhöre. Die Eigenheiten und Unterschiede der Stilrichtungen lassen sich anhand der Malereien und Skulpturen in den mehr als zehn Räumen der Ausstellung erkunden.
Die Sammlung ist aus dem Engagement einer Familie entstanden, die über Generationen hinweg den Besitz des Versicherungsmaklers Otto Gerstenberg (1848-1935) aus dem 19. und 20. Jahrhundert erweiterte. Seine heute in Berlin lebenden Enkel haben die Sammlung zuletzt um Werke von Künstlern aus der Hauptstadt ergänzt; auch sie sind zu sehen.
Ein anderes Werk: Äpfel liegen in einem Weidenkorb, der – so scheint es – völlig zufällig in eine grüne Landschaft gesetzt wurde. Die Stimmung des Gemäldes ist düster, die Äpfel liegen unter einem Baum. Davor: zwei Granatapfelhälften. Hinter dem Stück stecke eine spannende Geschichte, so die Kuratorin. Für “Äpfel, Granatapfel, Bilder” reiste der französische Künstler Gustave Courbet (1819-1877) nicht in die Natur – er malte sie, während er sich im Gefängnis befand.
“Courbet war Teil der Pariser Kommune und deshalb in Haft gewesen”, erklärt die Kunsthistorikerin Hüsch. Das Gemälde, das in dem Ausstellungsraum “Scharfsinnige Beobachter, Kunst zwischen Romantik und Gesellschaftskritik” hängt, sei entstanden, nachdem ihm Freunde beim Besuch in seiner Zelle das Obst mitgebracht hätten – mit dem er dann offenbar mit viel Fantasie und Vorstellungskraft ein Stillleben malte und es in eine imaginierte Landschaft setzte.
Wer die Ausstellung besucht, erfährt nicht nur etwas über verschiedene Stilrichtungen der Malerei, sondern auch darüber, wie sie jeweils in die Debatten der Zeit eingeordnet wurde. Weitere Räume der Ausstellung tragen Titel wie etwa “Malerei des modernen Lebens: Impressionismus”, “Zwischen Schrecken und Spektakel: Francisco de Goya” und “Innovationen im Plakatdesign: Toulouse-Lautrec als Grafiker”.
Zu der Ausstellungseröffnung sagte Hüsch: “Aus vielen Gründen ist das ein besonderer Moment.” Sie ergänzte: “Nicht nur für die Nationalgalerie, sondern auch für die Sammler, die diese Werke erstmals unter ihrem Namen veröffentlichen.”
Die Ausstellung ist nach kunsthistorischen Bezügen aufgebaut. Ein besonderer Fokus liegt auf den Epochen des französischen Impressionismus und Post-Impressionismus.
Abstrakte Kunst und jene, die Konkretes wiedergibt – die Ausstellung zeigt beides. Und lädt damit ein, die kunsthistorische Entwicklung anhand von Beispielen nachzuverfolgen sowie die Gemälde und Skulpturen im Verhältnis zueinander neu zu interpretieren.