Predigttext
3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4 und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5 Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? 6 Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. 10 Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11 Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.
Petra ist frisch geschieden. Ob glücklich geschieden oder unglücklich – das muss die Zukunft zeigen. Beim Umzug in ihre neue kleine Wohnung hat sie dreierlei wiedergefunden: ihren Konfirmationsspruch, eine Erinnerung an den Kindergottesdienst und eine Stofftasche mit Omas zu Bruch gegangener Vase.
Das waren ihre Begleiter im Trennungsjahr. Allen voran die Erinnerung an den Kindergottesdienst: Die Geschichte von der Ehebrecherin. Die kleine Petra hatte es damals tief angerührt, wie Jesus sagte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Und Petra war so erleichtert, als sich dann alle davonmachten und keiner die Frau steinigte.
Es ist noch so wie damals
Später erfuhr sie im Religionsunterricht, dass erstens im Judentum die Bestrafung für beide, nämlich Ehebrecher und Ehebrecherin, vorgesehen war, denn zum Ehebruch gehörten nun mal zwei. Und dass es zweitens keinen einzigen Beleg dafür gibt, dass jemals Menschen, die die Ehe gebrochen hatten, tatsächlich hingerichtet wurden. Die öffentliche Schmähung sei im Blick gewesen aber nicht von ferne die Hinrichtung. Das fand die jugendliche Petra interessant, aber die Geschichte von der Frau, die gesteinigt werden sollte, war stärker.
Und heute meint die 50-jährige Petra: Irgendwie ist es immer noch wie damals. Da hilft es auch nicht, dass bereits 1976 bei uns das Schuldprinzip aus dem Scheidungsrecht gestrichen wurde. Petra fühlte sich gesteinigt von Vorwürfen aus der Familie. „Mein Sohn hat doch gut verdient. Warum musste sie dann unbedingt arbeiten gehen. Und dann sollte er plötzlich was im Haushalt machen, obwohl er doch den ganzen Tag gearbeitet hat!“ Von den Nachbarinnen, die beim Straßenfest sich aufführten, als müssten sie ihre Männer vor ihr beschützen und behaupteten, an ihrem Tisch sei kein Platz mehr frei. Von den Arbeitskolleginnen, die ihr die Beförderung nicht gönnten und in Umlauf brachten: Sie hätte was mit dem Chef gehabt.
Selbst ihre Mutter wird nicht müde, immer mal wieder einzuwerfen, dabei wäre er doch immer so nett zu ihr, der Schwiegermutter, gewesen. Immer hätte er ihr Blumen mitgebracht.
Und da kommt Petras Konfirmationsspruch ins Spiel „Urteilt nicht nach dem äußeren Schein, sondern bemüht euch um ein gerechtes Urteil!“
Das wünscht sie sich so sehr von den Menschen um sich. Und den Anspruch stellt sie auch an sich selbst. Ja, bei der Fortbildung ist sie dem Charme des Kollegen aus München erlegen. Ja, sie hat sich in seinen Armen geborgen gefühlt. Ja, sie hat jede Minute mit ihm genossen.
Die Zeichen waren da
Ja, auch ihr hat ihr Ex-Mann häufig Blumen mitgebracht, aber viel häufiger brachte er den Stress von der Arbeit mit und nörgelte nur an ihr herum und suchte Streit. Ja, er konnte bei Feiern sehr unterhaltsam sein, aber meist auf ihre Kosten. Ja, er verdiente gut, aber er bestimmte, was wofür ausgegeben werden durfte. Das Motorrad kaufte er sich ohne Vorankündigung. Ein E-Bike bekam sie nicht. Ja, nach außen wirkte er sehr charmant und verbindlich, aber für ihre Gefühle interessierte er sich seit Jahren nicht mehr. Ihre Beziehung zueinander bröckelte schon lange, bevor sie zerbrach.
All das ging ihr durch den Kopf, als sie die Stofftasche mit den Scherben von Omas zu Bruch gegangener Vase auf dem Tisch verteilte. Erst hatte sie nur Risse, dann genügte eine Kleinigkeit und sie zersprang in Einzelteile.
An einem langen einsamen Abend hat Petra angefangen, die Vase wieder zusammenzusetzen. Sie hat erst gar nicht versucht, sie so zu kleben, dass die Risse möglichst nicht zu sehen sind. Im Gegenteil: Es sollte sichtbar bleiben, wo etwas kaputtgegangen ist. Und wo Vorsicht geboten ist, damit es nicht wieder zerbricht.
Omas Vase hat jetzt einen Namen: Mein Leben!