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Von Veit Hoffmann
Wer ist Nikolaus? Unsere Eltern schilderten ihn mit rotem Mantel, gütig, vollbärtiges Gesicht, in der rechten Hand hielt er einen Krummstab als Zeichen seiner geistlichen Würde und in seinem Gürtel steckte eine Rute. Mit ihr drohte er Strafen an für böse Taten. Von Freitag auf Samstag kommt er mit seinem Pferd, und Samstag, wenn wir in der Deutschen Oper die Zauberflöte hören, ist Nikolaustag.
Sichtbar ist er eigentlich nur für Kinderaugen. Obgleich … gesehen haben wir ihn auch nie, da er stets nachts kam. Nur unser Vater behauptete, er habe mit ihm gesprochen und verabredet, was er in welchen Schuh stecken solle. Was bleibt ist die Erinnerung an eine erfüllte Kinderzeit. Und natürlich wünschten wir uns damals, dass er auch mal den einen oder anderen richtig mit seiner Rute bearbeiten würde. Die durchtriebenen Raufbolde aus der Nachbarschaft, die einen zu Schlägereien zwangen, beispielsweise. Auch heute würde mir noch so mancher Kandidat für die Rute des Nikolaus einfallen. Ein paar Rutenhiebe für die Hartherzigen, die mit schrillen Arien gegen Flüchtlinge Front machen. Oder Günter Grass, weil der große Geist zur Kim Kardashian des Feuilletons mutiert ist.
Seit fünfzehn Jahrhunderten schreitet Nikolaus von Myra nun schon alljährlich von Haus zu Haus und beschenkt die Kinder und befeuert ihre Fantasien. Von ihm geht die Sage, dass er harte Schicksale wendete, Lügner und Betrüger strafte, die Armen beschenkte und die Unschuld der Kinder mit seinen Gaben segnete. Eine Gestalt, von der der Zauber guter Mächte ausgeht.
Nikolaustag. Durch die Dunkelheit kommt eine legendäre Gestalt zu uns. Kein gemieteter Weihnachtsmann, sondern der Bischof von Myra (100 Km südwestlich von Antalya). Von ihm wird erzählt, dass er einmal eine große Hungersnot gewendet habe. Er habe römische Schiffsleute beschworen, aus jedem ihrer Schiffe nur hundert Maß Weizen herzugeben. Brot für die Notleidenden. Doch die wackeren Seemänner trauten sich nicht, sie hatten Angst vor den Beamten des Kaisers, für die sie diese Ladung schipperten. Da sagte der Bischof zu ihnen: “ Tut, was ich euch sage, und ich schwöre euch bei der Kraft Gottes, dass ihr keine Minderung haben werdet an eurem Korn gegen des Kaisers Kornmesser“. So vertrauten die Seeleute auf diese Worte und gaben den gewünschten Weizen. Als später die Ladung von den Beamten des Kaisers auf Vollständigkeit geprüft wurde, fehlte nicht ein Gramm! Die Schiffe hatten noch genau so viel Korn an Bord, wie sie in Alexandria geladen hatten. Die Seeleute waren glücklich und „ … sagten das Wunder öffentlich und priesen den Herrn …“.
Klar, nur eine Legende, doch eine von jener Qualität, die das Gute sagt und ansteckend ist. Eine Legende gegen die Angst der Besitzenden. Teilen kann reich machen! Der Schenkende wird zum Beschenkten.
Wir sollten unseren Kindern und Enkelkindern viele solcher guten Geschichten erzählen!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten 2. Advent.
Veit Hoffmann