Ja, der Dorftratsch stimmt: Asterix ist „nicht mehr so jung, wie er aussieht“. Aber für einen Zeitgenossen Julius Cäsars hat er sich erstaunlich gut gehalten. Am 29. Oktober 1959 erschien erstmals eine Folge von „Asterix, dem Gallier“ in der französischen Jugendzeitschrift „Pilote“. Zum 60. Geburtstag wird nun am 29. Oktober „Die Tochter des Vercingetorix“ vorgestellt, der 38. Band der Reihe, in 20 Sprachen und mit einer Startauflage von fünf Millionen.
In Internetforen, im Schulbus oder in mancher abendlichen Bierrunde geht es oft um gar nichts anderes als Asterix-Zitate: „Ich habe nichts gegen Fremde – aber diese Fremden da sind nicht von hier.“ – „Du gefällst mir, du bist leicht beleidigt.“ – „Ich halte jetzt die Luft an, bis etwas passiert.“ – „Ist er verliebt?“
Der kurze Krieger hat Fans in allen Altersstufen. Dafür sorgen seine verschrobenen Freunde im Mikrokosmos des kleinen gallischen Dorfes, das allein dem römischen Eindringling Widerstand leistet. Dafür sorgen aber auch eine ausgefeilte Mischung aus Klamauk, bildungsbürgerlichem Anspruch und feinen Anspielungen auf das Frankreich der Moderne.
Résistance und Militarismus, Präsidentschaftswahlkampf, die Diskussion um die Pariser Trabantenstädte, die Wirksamkeit von Werbestrategien, Fremdenfeindlichkeit, Tourismus-Boom: All diese Themen dienten dem Autorengespann René Goscinny (Story und Text) und Albert Uderzo (Zeichnungen) als Futter für ihre Comic-Epen, die stets den Kampf des gallischen David gegen den römischen Goliath zum Thema hatten.
Den Sinn für die Psychologie von Heimat und Migration brachten sie aus der eigenen Familiengeschichte mit: Uderzo als Sohn italienischer Einwanderer, Goscinny als Spross polnisch-ukrainischer Eltern, der in Buenos Aires aufwuchs und sich seine ersten beruflichen Sporen in den USA verdiente. Asterix und sein ständiger Begleiter Obelix – nicht dick, sondern nur dick angezogen – nehmen den Leser bei ihren Abenteuern mit auf eine regelrechte Grand Tour durch Europa und den Nahen Osten. Briten, Spanier und Schweizer, Deutsche und Belgier: Alle Nachbarn der Franzosen bekommen dabei auf sympathische Weise ihr Fett weg, ebenso übrigens wie die eigenen „Minderheiten“, die Korsen und Basken.
In den späteren Geschichten vollziehen die Autoren immer mehr einen Schwenk „nach innen“: Statt auswärts auf Abenteuer zu gehen, kommt der Ärger ins Haus. Immer neue Listen ersinnen die römischen Strategen, um Zwist zwischen den Bewohnern zu säen und so den buchstäblichen Zusammenhalt im Dorf auszuhöhlen. Doch auch den vermeintlichen Segnungen des Städtertums – Geld, Orgien, schicke Kleider und Fußbodenheizung – widerstehen die Gallier am Ende und bleiben lieber rustikale Raufbolde mit Vorliebe für Wildschwein und Römerverprügeln.
Das Salz in der Suppe, ja im Zaubertrank der Geschichten sind die „Running gags“, immer wiederkehrende Elemente: Troubadix, der Barde, der ob seiner „Sistrum-Stimme“ vermöbelt wird, sobald er singen will; Verleihnix, der Fischhändler, mit seiner Ware jenseits des Verfallsdatums; Obelix mit seinen Bärenkräften, der nur zu sagen braucht „Ich klopfe mal“, damit der Leser weiß: Im nächsten Bild ist diese Tür eingeschlagen. Und natürlich die Latein rezitierenden Piraten, die sich am Schluss lieber selbst versenken, als noch einmal mit den Galliern zusammenzutreffen.
Im November 1977 fiel dem Universum des kleinen Dorfes der Himmel auf den Kopf: René Goscinny starb bei einem ärztlichen Belastungstest durch einen Herzinfarkt. Zwar erschienen seither noch insgesamt 14 Alben, doch der geniale Story- und Gagschreiber war durch gute Zeichnungen allein nicht zu ersetzen. Die späteren Alben blieben über weite Strecken fad – oder überdreht.
Asterix und Obelix haben zahllose Übersetzer und Nachahmer gefunden. Die erste deutsche Übersetzung „Siggi und Babarras“ verwandelte die gallischen Helden in eine derart biedere BRD-Schmonzette aus der Adenauer-Zeit, dass die Autoren dem Übersetzer Rolf Kauka die Rechte wieder entzogen.