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Wenn Worte zu Bildern werden

Kreatives Schreiben kann jede Predigt bereichern, nicht nur bei der neuen Kunstform des Predigt-Slam. Ein neues Buch von Pfarrer Holger Pyka zeigt, wie das gehen kann.

Predigt will etwas bewirken. Das ist die Grundannahme, auf die der Wuppertaler Pfarrer Holger Pyka seine Auseinandersetzung mit dem Predigt-Slam aufbaut. Er ist selbst erfahrener Poetry-Slammer und Predigt-Coach und legt in seinem Buch „Spiel mit dem Wort“ eine vielfältige Sammlung von Anregungen vor, die für die klassische Predigt ebenso bereichernd sein können wie für andere Formen der christlichen Verkündigung.
Beim Predigt- oder Preacher-Slam wird das Format des Dichter-Wettstreits, des Poetry-Slams, aufgenommen, das 1986 in den USA entstanden ist. Hier treten einzelne Wortakrobaten mit kurzen Texten auf und setzen sich der Entscheidung des Publikums aus, welcher Text besser ist. Der Reiz des Spiels besteht zu einem bedeutenden Teil im Miteinbeziehen der Zuhörer*innen: Welcher Text bewegt mich mehr? Wer diese Frage beantworten muss, hört anders zu.
2010 fand nach diesem Vorbild in Marburg erstmals ein Predigt-Slam statt und seitdem ist an verschiedenen Orten mit dem Predigt-Wettstreit gespielt worden. Diese Bewegung geht zusammen mit einer neueren Entwicklung in der Predigtlehre, die mit dem Atelier Sprache in Braunschweig und den Namen Martin Nicol und Alexander Deeg verbunden ist. Predigt wird als Sprachkunstwerk verstanden und leiht sich die Methoden weltlicher Sprachkünste. „Kunst redet nicht über Dinge, sondern macht Dinge geschehen“, so Nicol und Deeg.
Der Gedanke, dass die Predigt nicht über das Wort Gottes redet, sondern dass das Wort Gottes durch die Predigt geschieht, ist der Predigtlehre nicht fremd. Umstritten ist allein die Frage, wie. Sprachkünstlerinnen und -künstler gehen davon aus, dass es ein Handwerkszeug gibt, das dabei hilft, die Zuhörerenden zu bewegen oder zu provozieren und ja, auch zu unterhalten.
Holger Pyka beschreibt in seinem Buch, wie das gelingen kann: mit den Methoden, die er in der Rhetorik und dem kreativen Schreiben gelernt hat. „Zeige statt zu erklären“ ist eine zentrale Regel, die Pyka in verschiedenen Schritten ausbaut. Er will mit der Freude am Konkreten anstecken, am Erzählen von Erfahrungen und Sinneseindrücken. Mit lyrischen, humoristischen und episch-dramatischen Erzählformen stellt Pyka Übungen vor, welche die Kreativität anregen wollen. Dieser Schritt bei der Entstehung von Texten soll ohne inneren Zensor geschehen; es geht darum, die Ideen fließen zu lassen.
Der nächste Schritt ist eine strenge Redaktion nach allen Regeln der Schreibkunst. Wenn Holger Pyka zuvor zur Freiheit einlädt, mahnt er jetzt zur Strenge. Überflüssige Füllworte, Adjektive und Redundanzen wollen gekürzt werden, unpassende Bilder verabschiedet und ganze Sätze gestrichen. Auch der Performance, die beim Poetry-Slam entscheidend für den Wett­bewerb ist, widmet Pyka einen eigenen Artikel. Der erste Eindruck einer Predigt verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Wichtig ist auch der Rhythmus eines Vortrages mit sinngemäßen Betonungen und absichtsvollen Pausen.
Die Predigt will etwas bewirken. Mit Spielfreude auf der Kanzel eröffnen sich vielfältige Mittel, das zu erreichen. Jede und jeder findet dabei den eigenen Stil. Holger Pyka gibt Anregungen für die Erweiterung der Möglichkeiten. „Wie gut, dass ich – dank des Predigt-Slams – nicht mehr so genau weiß, was Predigt ist“, schreibt der Professor für Predigtlehre, Alexander Deeg, im Vorwort. Wer sich mit ihm darauf einlassen mag, nicht mehr so genau Bescheid zu wissen, dem sei das kreative Spiel mit den Worten mit Hilfe von Holger Pyka ans Herz gelegt.

Holger Pyka, Spiel mit dem Wort! Kreatives Schreiben für Predigt und Preacher-Slam. Vandenhoeck & Ruprecht, 176 Seiten, 20 Euro.