Die Weltklimakonferenz COP30 steht vor dem Scheitern. Allen voran droht die EU mit einem Boykott der Abschlusserklärung, falls man sich auf keinen Fahrplan zum Ausstieg aus fossiler Energie einigt.
Eigentlich sollte die COP30-Klimakonferenz am Freitagabend beendet werden. Doch bisher konnten sich die rund 200 Teilnehmerländer nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen. So wird im brasilianischen Belém auch am Wochenende weiterverhandelt – was nicht unüblich ist für Klimakonferenzen. Bisher konnte weder geklärt werden, wer die gigantischen Milliardensummen für den Klimaschutz bezahlt, noch wann der Ausstieg aus fossiler Energie – also Kohle, Gas und Öl – erfolgen soll.
Nachdem die Verhandlungen am Donnerstagnachmittag wegen eines Brandes auf dem COP-Gelände ausgesetzt worden waren, präsentierte Gastgeber Brasilien am Freitagmorgen einen Entwurf für ein Abschlussabkommen. Wegen dessen Ambitionslosigkeit wurde dieser von vielen Ländern kritisiert, allen voran der EU. So enthält der Entwurf keinerlei Fahrplan zum Ausstieg aus fossilen Energien – eigentlich die Priorität von Gastgeber Brasilien und bestimmendes Thema bei den Verhandlungen der vergangenen Tage.
Der EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra bezeichnete den Entwurf als inakzeptabel. Er schloss nicht aus, dass die Konferenz ohne eine Abschlusserklärung enden könnte. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) schloss sich dieser Einschätzung an. Wenn man nun in den Verhandlungen keine Fortschritte mache, könne die Konferenz scheitern. Noch aber liefen die Gespräche, erklärte er in einem Interview mit ntv. “Das ist sozusagen die 80. Minute – und da passiert manchmal noch viel.”
Bereits am Donnerstagabend hatten 30 Länder, darunter Kolumbien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien erklärt, dass sie die Abschlusserklärung nicht unterzeichnen würden, sollte diese “keinen Fahrplan für einen fairen, geordneten und gerechten Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe beinhalten”. Auch Vertreter der Zivilgesellschaft zeigten sich enttäuscht und bemängelten fehlende Ambitionen vieler Länder.
Kolumbiens Umweltministerin Irene Vélez Torres erklärte, dass “wir sehr enttäuscht sind über den Text, da er zwei für den Globalen Süden sehr relevante Themen ausklammert: einen Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und einen Mechanismus für Transparenz bei der Finanzierung von Ländern des Südens”.
Seit Jahren ringen die Verhandler in den Klimakonferenzen darum, wer die gigantischen Milliardensummen für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen bereitstellen soll, also für den Bau von Dämmen beispielsweise. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen brauchen die Entwicklungsländer über die nächsten zehn Jahre jeweils 310 Milliarden Dollar pro Jahr, um sich an das verändernde Klima anzupassen. Das ist mehr als das Zehnfache von den derzeit verfügbaren Mitteln. Beim Thema der Bereitstellung von Geldern soll es die EU sein, die Zusagen blockiert, wie Beobachter in brasilianischen Medien berichten.
Bereits am Mittwoch hatten führende Klimaexperten den Verlauf der Verhandlungen kritisiert: Er gehe auf provokative Weise an der Realität vorbei. Die COP30 stehe vor einer Entscheidung: “Menschen und Leben schützen oder die Ölindustrie schützen”, heißt es in der Erklärung der Wissenschaftler. Man habe diese Warnung auch an Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva herangetragen, erklärte der brasilianische Klimaforscher Carlos Nobre.
“Wir haben es ganz klar gemacht: Die Abschaffung fossiler Brennstoffe muss bis 2040, spätestens aber bis 2045, erfolgen.” Zudem müsse ein vollständiges Ende von Waldrodungen, der Umweltzerstörung und von Waldbränden erreicht werden. Lula da Silva sprach die Hoffnung aus, dass die Kritik unter den Verhandlern Gehör finden möge.
Doch die Erdöl produzierenden Länder, allen voran Saudi-Arabien, mauern in Belém gegen den Ausstieg aus fossilen Energien. Beobachter erklärten, dass sich Saudi-Arabiens Ablehnung gegen einen Fahrplan nach dem Treffen von Kronprinz Mohammed bin Salman mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump am Dienstag noch einmal verhärtet habe. Beim Treffen in Washington hatte sich Trump über den Klimaschutz lustig gemacht. Die USA sind in Belém nicht vertreten.
Laut den Experten müssen die CO2-Emissionen jährlich um jeweils fünf Prozent sinken – ab sofort. “Dies muss geschehen, damit wir überhaupt eine Chance haben, unkontrollierbare und extrem kostspielige Klimafolgen zu vermeiden, die alle Menschen auf dem Planeten betreffen”, warnen die Experten. Das verbleibende Kohlenstoffbudget, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, betrage gerade einmal 130 Milliarden Tonnen CO2. Mit der aktuellen Geschwindigkeit würde das Budget in drei bis vier Jahren aufgebraucht sein.
Brasilianische Medien wollen Gründe für den holprigen Verlauf der Konferenz ausgemacht haben. So gebe es eine Diskrepanz zwischen Brasiliens Präsident Lula, der möglichst ambitionierte Ergebnisse erreichen wolle, und dem bei den Verhandlungen federführenden brasilianischen Außenministerium. Dieses ziehe eine schwache Abschlusserklärung einem totalen Scheitern vor. Wie lange in Belém nun noch weiterverhandelt wird, ist unklar. Das hat auch logistische Gründe, haben die Delegationen doch bereits ihre Abreise geplant und müssen ihre Hotels räumen.