Äußerungen führender Unionspolitiker zu geflüchteten Syrern tragen laut der Caritas weder der Rechtslage noch der Realität im Land Rechnung. Auch die Kirche in Syrien selbst beklagt schwierige Verhältnisse.
In der Debatte um Abschiebungen von Syrern hat sich die katholische Caritas gegen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gestellt. “Rückführungen nach Syrien sind derzeit verantwortungslos”, erklärte Caritas-Vorstand Oliver Müller unter Verweis auf die Lebensumstände in dem ehemaligen Bürgerkriegsland. Zudem gehe die Debatte an der juristischen Realität vorbei, schrieb er in einem Beitrag für Table Media.
Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, sanken von Jahresbeginn bis September die Zuzüge aus Syrien um 46,5 Prozent auf 40.000, während freiwillige Ausreisen von Syrern aus Deutschland um mehr als ein Drittel auf 21.800 zunahmen. Die Nettozuwanderung lag damit gut zwei Drittel niedriger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, als es noch 58.000 waren. Insgesamt lebten laut Statistikamt Ende 2024 rund 713.000 aus Syrien Geflüchtete in Deutschland.
Caritas-Vorstand Müller sprach mit Blick auf die von führenden Christdemokraten erhobenen Abschiebungsforderungen von rechtsferner politischer Rhetorik und “Symboldebatten”. Diese gefährdeten Integration und humanitäre Prinzipien gleichermaßen. Tatsächlich sei nur rund ein Prozent der Syrerinnen und Syrer in Deutschland ausreisepflichtig.
“Selbst Syrer und Syrerinnen mit deutscher Staatsangehörigkeit fragen mittlerweile nach, was die politischen Diskussionen für sie persönlich und die Zukunft ihrer Familie bedeuten könnten”, so Müller. Die Menschen, über deren Köpfe hinweg debattiert werde, seien Nachbarn, Freunde und Kollegen.
Müller verlangte eine Politik, die die Realität in Deutschland und Syrien anerkenne. Es gelte, “politische Debatten an den Fakten auszurichten”.
Der syrisch-katholische Erzbischof von Homs, Jacques Mourad, sprach laut einer Mitteilung des Hilfswerks “Kirche in Not” von sich verschlechternden Bedingungen für Christen in Syrien. Immer mehr verließen das Land. “Die Kirche in Syrien stirbt. Es gibt keine Freiheit, weder religiöse Freiheit noch irgendeine andere”, so Mourad laut der Mitteilung vom Freitag.
Die Menschen litten unter Gewalt und Repressalien. “Es gibt zwar nicht diese Gewalt wie in Afghanistan, aber wir sind nicht weit davon entfernt”, sagte Mourad. Nach Angaben von “Kirche in Not” leben derzeit noch um 500.000 Christen in Syrien. Schätzungen für die Zeit vor dem Krieg 2011 nennen Zahlen von 1,5 bis 2,1 Millionen. Unter dem früheren Präsidenten Baschar al-Assad genossen Christen relative Freiheiten. Viele stützten das Regime.
Bundeskanzler Merz hatte bekundet, keine generellen Bedenken gegen Abschiebungen nach Syrien zu haben. Nach dem Ende des Bürgerkriegs gebe es “keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland”. Syrien brauche “alle Kräfte, vor allen Dingen die Syrerinnen und Syrer, zum Wiederaufbau des Landes”. In die gleiche Richtung äußerten sich Bundesinnenminister Dobrindt und Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU).