Lingen – Die katholischen deutschen Bischöfe wollen zusammen mit den Gläubigen über Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen beraten. Zum Abschluss der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) versprach der Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx einen „Weg der Erneuerung“. Gemeinsam wolle man sich auf den Weg zu Veränderungen machen. Marx kündigte im emsländischen Lingen einen synodalen Weg an, bei dem unter anderem über klerikalen Machtmissbrauch, die Priesterausbildung, den Zölibat und die kirchliche Sexualmoral gesprochen werden soll. Dabei sei eine enge Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) geplant.
„Wir spüren, wie tief betroffen die Gläubigen sind“, sagte Marx. Es gehe um eine Kirche der Gläubigen, nicht um eine Kirche der Bischöfe. Wie genau die Gespräche organisiert werden sollen, steht nach den Worten des Münchner Erzbischofs noch nicht fest. Die Offenheit solle aber nicht zu Unverbindlichkeit führen. Wann konkrete Ergebnisse vorliegen sollen, wolle er nicht vorgeben, sagte Marx. Gegebenenfalls könnte am Ende neben anderen Ergebnissen ein Brief an den Vatikan stehen, um offene Fragen auf der Ebene der Weltkirche zu formulieren.
Im Mittelpunkt der viertägigen Beratungen der katholischen deutschen Bischöfe bei ihrem Frühjahrstreffen in Lingen stand ein Maßnahmenkatalog als Konsequenz aus den Fällen sexualisierter Gewalt. Nach einer im September von der Bischofskonferenz veröffentlichten Studie wurden zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3677 Kinder und Jugendliche Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Es fanden sich Hinweise auf 1670 beschuldigte Kleriker.
Bei der Konferenz in Lingen kündigte der Missbrauchsbeauftragte der DBK, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, an, die Missbrauchsfälle der vergangenen Jahrzehnte in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen weiter aufarbeiten lassen. Am Ende könnte es eine Vereinbarung zwischen Staat und Kirche oder eine von Staat und Kirche anerkannte, unabhängige Kommission geben, sagte Ackermann, ohne eine zeitliche Dimension zu nennen.
Ackermann sagte, die DBK werde weiterhin ein Gutachten in Auftrag geben, das die bisherigen Systeme der Anerkennungsleistungen für die Opfer in den Bistümern überprüfen solle. Langfristig solle es dafür eine einheitliche und unbürokratische Regelung geben. Täter sollten wenn möglich an den Zahlungen beteiligt werden. Konkrete Summen stellte der Beauftragte nicht in Aussicht.
Noch lebende Täter, die aufgrund von strafrechtlicher Verjährung nur noch kirchenrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können, müssten sich künftig vermutlich vor einer eigenen deutschen Kirchengerichtsbarkeit verantworten, kündigte der Trierer Bischof an. Diese könnte dann ohne Rücksprache mit dem Vatikan schuldig gewordene Priester aus dem Klerikerstand entlassen. Er gehe davon aus, dass Rom dazu die Genehmigung erteilen werde.
Die Opferinitiative „Eckiger Tisch“ kritisierte die Ergebnisse der Vollversammlung. Die Kirche mauere weiter bei der Entschädigung der Opfer, sagte Sprecher Matthias Katsch. Die Missbrauchsopfer würden den synodalen Weg kritisch begleiten. Auch Politik und Gesellschaft seien dabei gefordert. epd/KNA/UK