Für die diesjährige Nacht der Kirchen am Sonnabend in Hamburg wagen der Physiker Christian Schwanenberger und der Theologe Frank Engelbrecht ein Experiment. „Wir wollen, dass scheinbar unterschiedliche Disziplinen wie Wissenschaft, Kunst, Theologie, Philosophie an diesem Abend zusammenkommen und miteinander diskutieren“, sagt Schwanenberger. Unter dem Titel „Wissenschaftskirche“ laden die beiden an das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Groß Flottbek ein, wo es neben ihrem Gespräch auch Experimente zum Anfassen und verschiedene Podiumsdiskussionen geben wird.
Theologie ist die Wissenschaft und Lehre über Gott, eine Geisteswissenschaft. Aber sie kann nicht allein existieren, glaubt der Blankeneser Pastor Engelbrecht. „Die Theologie ist meiner Ansicht nach eine Poesiewissenschaft, die über die Poesie des Lebens nachdenkt, die uns zum Staunen bringen möchte. Und dieses Staunen bedeutet nicht nur einfach Mund auf und nicht wissen, wie es weitergeht, sondern sie übersetzt dieses Staunen in Handlungen.“
Christian Schwanenberger ist Elementarteilchen-Physiker am DESY-Forschungsinstitut und erklärt sein Fachgebiet so: „Die Naturwissenschaft versucht, die Welt zu verstehen. Aber sie muss die Welt dadurch verstehen, dass sie im Experiment immer wieder nachweisen kann, dass die Theorien richtig sind. Das heißt, wir untersuchen, was die Welt im Innersten zusammenhält.“
Für den Theologen ist klar, dass bei der Erschaffung der Welt Gott eine wesentliche Rolle spielt. Das schließt der Physiker nicht aus: „Die Aufgabe der Naturwissenschaft ist es, die Welt zu erforschen, wie sie ist, aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze.“ Dahinter habe Gott durchaus Platz, räumt Schwanenberger ein. Aber: „Die Frage nach Gott ist einfach keine Frage, die man sich als Physiker stellt, weil sie ja nicht experimentell nachweisbar ist.“
Auch der Pastor ist interessiert an der physikalischen Entstehung des Universums. „Aber da ist auch eine andere Stimme, bei der ich das Gefühl habe, das Universum ist auch interessiert an mir“, meint Engelbrecht. „Das gibt mir hier ein Zuhause, baut mir einen Horizont.“ Das lasse ihn immer wieder staunen. „Und plötzlich habe ich das Gefühl, als wollte mir das Universum sagen: Schön, dass du da bist.“
Diese Ebene kann Schwanenberger gut nachvollziehen. Denn auch wenn seine Arbeit auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Experimenten beruht, habe er eine Ahnung davon, dass es mehr gibt als das, was der Verstand erklärt. Die Menschen haben Formeln, um die Welt zu erklären. „Da muss sich doch jemand ganz tolle, kluge Gedanken gemacht haben, und irgendjemand muss sich das doch überlegt haben.“
Engelbrecht ist es wichtig, dass diese unterschiedlichen Disziplinen gerade jetzt miteinander statt gegeneinander arbeiten. „In einer Zeit, in der es wieder Kriege gibt und Leute sich mit Vorurteilen beharken und Grenzen schließen und unfreundlich miteinander sind, haben wir es ganz dringend nötig, dass wir zusammenarbeiten.“ Die Theologen bräuchten die Naturwissenschaftler, die so schöne Dinge erforschen und uns staunen lassen.
Die „Wissenschaftskirche“ zur 21. Nacht der Kirchen in Hamburg sei ein spannendes Experiment, findet Schwanenberger. „Die Kirche ist in diesem Fall das Auditorium des Deutschen Elektronen-Synchrotrons und findet in einem Hörsaal statt, in dem schon viele Entdeckungen der Physik diskutiert wurden.“
Ab 16 Uhr gibt es Führungen über das DESY-Gelände. Um 18 Uhr beginnen im Foyer des Auditoriums offene Experimente. Ab 19 Uhr beginnen die Gespräche und Podiumsdiskussionen rund um die Begegnung der Disziplinen.