Seit dem 1. September 2019 gibt es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) die „Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB“. Seit Veröffentlichung der ForuM-Studie zur sexualisierten Gewalt in Diakonie und Kirche im Januar 2024 ist ihre Arbeit noch einmal mehr in den Fokus gerückt worden. Sie ist erste Anlaufstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt, hilft Kirchengemeinden bei der Erstellung von Präventionskonzepten und vieles andere mehr. Der Evangelische Pressedienst (epd) listet die vier Bereiche der Fachstelle auf und versucht zu zeigen, wo es in der täglichen Arbeit auch Herausforderungen gibt.
ANSPRECHSTELLE:
Zur Fachstelle gehört die Ansprechstelle für Betroffene in Kirche und Diakonie. Es handelt sich dabei um eine Erstanlaufstelle, an die sich Betroffene sexualisierter Gewalt vertraulich und anonym wenden können. Sinn und Zweck ist es, dass Betroffene überhaupt einmal in einem geschützten Rahmen von erlebtem Unrecht berichten können. In diesen Gesprächen findet eine erste Beratung statt und es wird Unterstützung vermittelt. Nach Erfahrung der Mitarbeitenden der Ansprechstelle klärt sich für etliche Betroffene in diesen Gesprächen erstmals, was ihnen an Missbrauch oder Gewalt im Raum von Kirche und Diakonie konkret widerfahren ist.
MELDESTELLE:
Die sogenannte Meldestelle ist nur für den Bereich der verfassten Kirche selbst zuständig – die Diakonie hat eine eigene Meldestelle. An die Meldestelle wenden sich zum einen Betroffene mit ihrer Geschichte, aber auch kirchliche Mitarbeitende oder Leitungspersonen bei Verdachtsfällen in ihrem Umfeld. Die Meldestelle hat eine beratende Funktion und bietet fachliche Unterstützung. Für die Intervention vor Ort liegt die Zuständigkeit bei den direkten Dienstvorgesetzten, meist den Dekaninnen und Dekanen.
PRÄVENTIONSTEAM:
Das Präventionsteam der Fachstelle hat aktuell den größten Arbeitsbereich – denn per Beschluss der Landessynode wurde festgelegt, dass alle Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen bis Ende 2025 ein sogenanntes Schutzkonzept haben müssen. Mit diesen – für jede Gemeinde und Einrichtung individuellen – Konzepten soll zum einen erreicht werden, dass durch verschiedene Maßnahmen Missbrauch möglichst erst gar nicht passieren kann. Zum anderen legen sie für den Fall der Fälle konkrete Handlungsanweisungen fest. Das Präventionsteam berät bei der Erstellung solcher Konzepte und bietet darüber hinaus Schulungen an.
ANERKENNUNGSKOMMISSION:
Wie die Ansprechstelle ist die „Anerkennungskommission zur Gewährung von Leistungen in Anerkennung erlittenen Unrechts an Betroffene sexualisierter Gewalt“ für die Landeskirche und das Diakonische Werk im Freistaat zuständig. Betroffene können bei der Anerkennungskommission einen Antrag stellen, um „finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids“ für erlittene sexuelle Übergriffe in Kirche und Diakonie zu erhalten.
RECHTLICHE FAKTOREN:
Der rechtliche Rahmen für Aufarbeitung und Aufklärung von sexualisierter Gewalt wird vor allem durch das Strafrecht, das Dienst- und Arbeitsrecht sowie den Datenschutz gesetzt. Welche Daten an welche Stellen gegeben werden, ist durch den Datenschutz geregelt. Das Dienstrecht ist an rechtliche Vorgaben gebunden, wenn es um disziplinarische Maßnahmen gegenüber beschuldigten Personen oder gar um die Suspendierung geht. Bei strafrechtlichen Ermittlungen entscheiden die Ermittlungsbehörden über das Verfahren.
AUFGABE DER FACHSTELLE:
Die Fachstelle hat eine unterstützende und beratende Funktion bei all den verschiedenen Aufgaben. Ihre Mitarbeitenden sind auf Zusammenarbeit und Kooperation mit den Verantwortlichen vor Ort angewiesen. „Dafür braucht es bei allen Beteiligten einen sensiblen und fachlich angemessenen Umgang mit der Thematik“, betont Fachstellen-Leiterin Martina Frohmader.
DER FAKTOR ZEIT:
Viele Betroffene, so berichten es die Mitarbeitenden der Fachstelle, wünschen sich oftmals schon nach dem ersten Kontakt „schnelle Ergebnisse“ in ihrem Fall. „Das ist verständlich“, erläutert Martina Frohmader. Aber die Zeitvorstellungen von Betroffenen und der Institution sind selten deckungsgleich. „Die Fälle sind oft kompliziert, rechtlich schwierig und bedürfen eines sorgfältigen Vorgehens, gerade wenn am Ende vielleicht ein Gerichtsverfahren steht“, sagt die Fachstellen-Leiterin. Das kann für Verärgerung bei Betroffenen sorgen: „Tatsache ist, Versäumnisse der letzten Jahrzehnte können nicht innerhalb kürzester Zeit aufgeholt werden.“
WAS MACHT DER STAAT?