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Was es heißt, frei zu sein

Der Musiker Marius Müller-Westernhagen hat sie besungen, die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Buch über sie geschrieben: die Freiheit. Seit Jahrtausenden kämpfen Menschen für sie. Das Team des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden hat sich auf den Weg gemacht, Facetten des Begriffs aufzuzeigen. Von Freitag an präsentiert es die Ausstellung „Freiheit. Eine unvollendete Geschichte“.

Laut der Kuratorin Viktoria Krason erkundet die Schau, „wie Freiheit heute verstanden, gelebt und auch gefährdet wird“. „Wir möchten auch zeigen, dass sie etwas sehr Fragiles ist und immer wieder neu erkämpft werden muss“, sagt sie.

Die „Zeichen der Freiheit“ werden in der Ausstellung in Form von dutzenden historischen und zeitgenössischen Kunstwerken präsentiert. Kaum eine Vorstellung sei seit jeher mit so wirkmächtigen Bildern und Narrativen verbunden, erklärt Krason.

Zu sehen ist unter anderem Wolfgang Mattheuers großformatiges Gemälde von 1984 „Der Nachbar, der will fliegen“, das die Flucht aus einer (politischen) Enge thematisiert. Kurator Philipp Bürger sagt darüber: „Künstler machen auf Mängel aufmerksam, etwa auf fehlende Empathie oder mangelnde Kommunikation“ und damit auf Entwicklungen, die Freiheit gefährdeten.

Unter der Überschrift „Handwerk der Befreiung“ verdeutlicht die Schau zudem mit Fotografien, Videos, Briefen und Dokumenten, welche Mittel und Strategien zu Liberalität und Eigenständigkeit führen. Gezeigt werden Filmaufnahmen von dem Konzert des Liedermachers Wolf Biermanns in Köln vor rund 7.000 Menschen – nach elf Jahren Auftrittsverbot in der DDR. Nur wenige Tage später wird der Musiker, der in seinen Songs die DDR als ein „halbes Land“ bezeichnete, im Herbst 1976 ausgebürgert, was damals heftige Proteste auslöste.

Die Dresdner Ausstellung führt die deutsch-deutsche Geschichte vor Augen, die Freiheitsbewegung der Ostdeutschen. Präsentiert werden etwa Videos von Protesten in Leipzig, darunter von der entscheidenden Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 – eine Zäsur in der Geschichte. Nachzuhören sind aber auch politisch beeinflusste Interviews mit Rückkehrern aus der BRD in die DDR. Eine Frau etwa fühlte sich damals im Westen unfrei, weil sie keine Arbeit bekommen hatte.

Darüber hinaus weitet die Schau den Blick nach Osteuropa, vor allem auf Polen und Tschechien. Die drei ehemaligen Ostblockländer verbinde die Umbrucherfahrung der 1990er Jahre, die bis heute nachwirke, sagt Krason.

Zu sehen sind unter anderem Fotografien von Dissidententreffen im Sommerhaus von Vaclav Havel, einem der führenden Regimekritiker der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und Mitinitiator der Menschenrechtserklärung „Charta 77“. Andere Fotografien dokumentieren den Streik auf der Werft in Danzig, bei dem im August 1980 rund 17.000 Beschäftigte ihre Arbeit niederlegten. Es war eine Bewegung von unten, die das politische Kräfteverhältnis in Polen nachhaltig verändern sollte.

Für die Direktorin des Hygiene-Museums, Iris Edenheiser, war der Begriff der Freiheit „selten so umkämpft wie heute“. Er werde oft benutzt, auch instrumentalisiert, aber zu wenig hinterfragt. Im Namen der Freiheit werde zunehmend auch gegen die Demokratie mobilisiert.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Solidarnosc-Zentrum in Danzig, dem Museum für Gegenwartskunst in Breslau und der Nationalgalerie in Prag. Iwona Bigos vom Nationalmuseum Breslau betont: „Die Schau ist eine Einladung zur Diskussion über die Fragilität der Freiheit in der Gegenwart.“ Auch für Kurator Bürger steht fest: „Freiheit bleibt unvollendet, wir müssen alle weiter daran arbeiten.“ Der Westernhagen-Song von 1987 sagt es so: „Freiheit ist die einzige die fehlt (…) Freiheit ist das einzige, was zählt.“