Die Geister, die er rief, verfluchte schon Goethes Zauberlehrling. Auch an Pfingsten saust nicht nur der Heilige Geist durch die Lande. In der deutschen Sprache tummeln sich auch zahlreiche seiner Verwandten.
Der Wein- oder Obstgeist ist auf den ersten Blick das Gegenteil vom Heiligen Geist: Zu letzterem schreibt die Bibel, dass Menschen unterschiedlichster Sprachen auf einmal einander verstehen konnten, als er auf sie herab brauste. Der Konsum des ersteren sorgt hingegen bisweilen für geistige Umnachtung, wenn ein Gläschen zu viel die Zunge verknotet. Wobei ein ganz ähnlicher Vorwurf laut Bibel auch die an Pfingsten Anwesenden traf: “Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken”, heißt es da.
Den Geisterfahrer hat es auf die falsche Straßenseite verschlagen. Der Sportsgeist treibt zu begeisternden Höchstleistungen an. Und der Teamgeist schweißt zusammen. Geister sind in der Sprache allgegenwärtig und spuken ebenso durch Texte wie durch gesprochene Worte. Nur – warum eigentlich?
Für Annette Klosa-Kückelhaus liegt es an der Vielzahl der Bedeutungsnuancen des Wortes “Geist”: es könne für den menschlichen Verstand stehen, für “Denkvermögen” oder “Gesinnung”. In Religion und Philosophie bezeichne der Geist eine Schöpfungskraft, so die leitende Mitarbeiterin beim Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Der Geist sei etwas, das den Menschen von allem Leblosen unterscheide, aber auch von Tieren. “Deshalb ist das Wort so anschlussfähig, denn in vielen Kontexten verweisen wir immer wieder auf diese Fähigkeit.” Nicht verwunderlich also, dass sich ein großes Wortfeld rund um die Geister entwickelt hat.
Was aber haben der Kirsch- oder Pflaumengeist dort zu suchen? Denn derartige Destillate mögen zwar dem ein oder anderen munden, schränken das Denkvermögen aber meist eher ein. Das hat etwas mit der Wortherkunft zu tun. Nicht umsonst klingt in den “Spirituosen” schon der lateinische “spiritus” an. Das deutsche Wort “Geist” stammt von einer alten, indogermanischen Wurzel namens “gheis” ab, wie Klosa-Kückelhaus erklärt. “Gheis” bedeutete so viel wie “aufgebracht”, “bestürzt” oder “erschreckt” sein. Das daraus entstandene germanische Wort “geist” bezeichnete zunächst die Ekstase.
Von der Übersetzung des lateinischen “spiritus” beeinflusst, habe sich der Begriff mit christlichen Vorstellungen angereichert und in der deutschen Kirchensprache entsprechend verbreitet, so die Sprachwissenschaftlerin. Auch der “Heilige Geist”, der in diesen Tagen besonders unterwegs ist, hat hier wohl seinen deutschsprachigen Ursprung. Etwa ab dem 18. Jahrhundert sei das Wort dann auch im Sinne von “flüchtige Essenz” oder Alkohol gebraucht worden. Man könne davon ausgehen, dass sich die Bezeichnung von der Ekstase hin also zur Bezeichnung für den Alkohol, der diesen Zustand auslösen könne, verschoben habe, sagt die Germanistin.
Viele Geister haben es an sich, dass sie unsichtbar sind, aber trotzdem wirksam. Diese Kombination macht manchmal auch Angst. Für Klosa-Kückelhaus drückt sich darin ein Überbleibsel älterer religiöser oder magischer Weltbilder aus. Sie verweist auf alte Verwandte des Wortes, etwa das altenglische “gaestan – in Schrecken versetzen”.
Das führt zu den mit Geistern eng verwandten Gespenstern, die durch die Geisterbahn spuken oder des Nachts verlassene Kerker und gruselige Friedhöfe heimsuchen sollen – zumindest in Kinderbüchern und Sagen. Jedes Gespenst ist ein Geist. Das gilt aber nicht umgekehrt. Das althochdeutsche “gispensti” übersetzt Klosa-Kückelhaus mit “Anlockung” oder “Verführung”.
Der an sich weder positiv noch negativ besetzte “Geist” kann also unter verschiedenen Aspekten gesehen werden. Mal wird er geistreich mit positiven Anhängseln versehen, mal mit negativen. Die genaue Bedeutung hängt dann jeweils vom Kontext ab. In der Pandemie etwa fanden in Fußballarenen ohne Publikum “Geisterspiele” statt.
Manch einen Geist hat es in der Zwischenzeit auch auf den Friedhof der Sprache verschlagen. So listet das “Deutsche Wörterbuch” von Jacob und Wilhelm Grimm mannigfaltige Verwandte des Heiligen Geistes auf, die heutzutage wohl kaum noch gebraucht werden. Da ist etwa die Geistader, die wir heute viel weniger poetisch einfach als “Arterie” bezeichnen. Oder der “Geisterfrühling”, ein blumiger Ausdruck für geistige Frische in jungen Jahren.
Klosa-Kückelhaus findet aber etwas anderes viel Interessanter: “Dass immer wieder neue ‘Geistererscheinungen’ auftreten werden.” Hoffentlich ohne Kettenrasseln und Geheul.